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Brief von Hanns Hörbiger an Raoul Hausmann. Mauer bei Wien
  • © Unterliegt nicht dem Urheberrechtsschutz
  • Repro: Anja Elisabeth Witte
    • Hanns Hörbiger (1860 - 1931)

  • TitleBrief von Hanns Hörbiger an Raoul Hausmann. Mauer bei Wien
  • Date03.06.1923
  • CategoryKorrespondenz
  • ClassificationBrief
  • MaterialPapier, maschinengeschrieben Durchschlag
  • Amount4 Blatt
  • FondsTeilnachlass Raoul Hausmann
  • Inventory NumberBG-RHA 908
  • CreditlineErworben aus Mitteln der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, und Spendenmitteln, 1991
  • TermsBrief, Korrespondenz, 2.2.1 an den Nachlasser (gK), Österreich / Wien, Nachlass Raoul Hausmann, Welteislehre
  • On DisplayNo
Transcription / Description
Additional Reproductions

»H. Hörbiger
Mauer b. Wien, 3. Juni 1923

Sehr geehrter Herr! - Nehmen Sie zunächst meinen verbindlichen Dank für das warme Welteis-Interesse, das aus Ihren geschätzten Zeilen vom 30.V. spricht. -Solche Welteis-Verfilmungsvorschläge sind mir in den letzten Jahren schon von mehreren Seiten zugekommen. Einer wirklich wissenschaftlichen Verfilmung der WEL stehen aber doch so große Schwierigkeiten entgegen u. z. besteht die größte unter ihnen darin, daß ich eigentlich die II. Auflage oder vielmehr die wirkliche Erst-Auflage der WEL noch immer keuchend und stöhnend mit mir herumtrage. Womit wollen Sie also Ihre noch so tüchtigen Zeichner instruieren?-
Was ich in der letzten Zeit von mir geben konnte, sind ja nur ganz notdürftige Ergänzungen zur vergriffenen Erstauflage, die ich meinen Freunden und Gönnern zur Ausarbeitung von gemeinfaßlichen Einzeldarstellungen zu liefern trachte. Alles das eignet sich aber noch lange nicht als Unterlage für das Zeichenbüro eines erstklassigen Film-Unternehmens. Und nach Film-Darstellungen, wie sie heute auf dem Schöpfungsgebiete in Mode sind, strebt mein Ehrgeiz nicht; die Sache müßte doch so gebracht werden, daß auch meine offiziellen Skeptiker durch solche WEL-Filme eines besseren belehrt werden. Was ich aber da in letzter Zeit z. B. von „Relativitäts"-Filmen gesehen habe, ist doch die reinste Farce. Volle Häußer werden damit wohl erzielt; dafür hat die Presse bereits gesorgt. Aber es wäre mein Tod, wenn ein Filmunternehmen an die WEL etwa denselben bloßen Sensations-Maßstab anlegen wollte. –
Anderseits ist es ja wahr, daß die WEL mit allem historischen Beiwerk für ein Film-Unternehmen eine ganz unerschöpfliche Fundgrube für Einzelfilme bilden würde. Ich habe jetzt gerade den Mondeinfang und die Mondauflösung zwischen Tür und Angel in großer Zeitnot für populärwissenschaftliche Einzeldarstellungen neu bearbeitet, die meine deutschen Freunde unter der Feder haben. Diese Woche geht eine notdürftige Aus¬fertigung davon auch an Herrn Dr. Kemmann, Berlin. Ich muß annehmen, daß Sie den Herrn Geheimrat kennen, da Sie von einer Hr. Gesellschaft sprechen. Eine solche existiert ja eigentlich nicht; sondern die ersten Anläufe zu einem „Deutschen Welteisbund" haben nunmehr zu einem „Verein für kosmotechnische Forschung" geführt. Person und Name sollte der Öffentlichkeit gegenüber am besten aus dem Spiele bleiben, um die so schwer betroffenen Anhänger der Nebularhypothese nicht noch mehr zu reizen. –
Der von Ihnen genannte „Unfug der UFA-Schöpfungswunder" stört mich eigentlich ebensowenig, wie die „Neuen Weltbild" Filme der Relativisten. Je weiter diese Leutchen ihre „Volksaufklärung" treiben, desto besser später einmal für die WEL, bis ich endlich Ellebogenfreiheit erlange. Nach den bisherigen Erlebnissen steht das aber noch im weiten Felde.
Um Ihr geschätztes Schreiben eingehender zu beantworten, müßte ich doch auch schon etwas Näheres über Ihren Arbeitsplan wissen. Einen solchen können Sie aber auch erst ersprießlich fassen, wenn Sie meine Lage kennen. Wie stellen Sie sich einen ersten großen Kulturfilm der WEL eigentlich vor? Ist hier der Singular buchstäblich gemeint? Dann wäre das ein Kulturfilm, dem Sie wohl etliche Hundertmale um den Tropengürtel wickeln könnten!
Die WEL kann und darf nur in Einzelbearbeitungen verfilmt werden; und das so gründlich und naturgetreu, als nur möglich. Dazu genügen aber auch alle Kriegsgewinnste aller amerikanischen Munitions-Lieferanten des Weltkrieges zusammen noch lange nicht. Denn Hunderte von Einzelausarbeitungen sind da denkbar, zu deren Einzelabhaspelungen je 2 Stunden kaum genügen würden.
Um dazu Ihrem wohl zu bemannenden Zeichenbüro die auch mathematisch richtigen graphischen Unterlagen liefern zu können, müßte ich erst mein eigenes Zeichenbüro mit meinen zwei ältesten Söhnen (Joh.Rob.Hr.,Maschineningenieur, ex 1885 - und Alfred Hr., akad. Maler mit 5 Jahrgängen Maschinentechnik ex 1891) und etwa zwei Gehilfen (einem für meine bisherigen Gebläse- und Kompressor-technischen - und einen für die kosmotechnischen Ausarbeitungen) mit gutem Salair lebenslänglich anstellen können, abgesehen von etwa zwei Schreib- und zwei Mal-Damen!
Natürlich könnte ich es auch billiger geben. Aber wenn ich mich nun schon einmal anschickte, Ihre offenbar noch viel zu kleine Meinung von der Größe der Aufgabe zu kräftigen, so denn schon. –
Wäre der Krieg nicht gekommen, so hätte ich längst schon mein eigenes Filmbüro, seit 1913 zunächst auch längst schon die 2te und 3te Auflage der WEL hinausgebracht und mehrfache Staatsunterstützung gewonnen, - Zufolge des Krieges erhebt aber der Staat selbst Unterstützungsansprüche an mich.
Zu solch einem rein kosmotechnischen Zeichenbüro hatte ich mir 1913 sogar ein eigenes Landhaus in gesunder Höhenlage gekauft, darin, wie gesagt, erst die II. und III. Auflage der WEL geschaffen werden sollte. Zur notdürftigen ersten Bemannung des Büros hätten die Zinsen meiner Vorkriegsersparnisse für die ersten noch brotlosen Vorarbeiten zur Not schon genügt. Heute würde das ganze Kapitälchen die allerprimitivsten Lebensbedürfnisse kaum für 2-3 Wochen decken. Nachdem auch mein Kompagnon R. dem Kriege zum Opfer gefallen ist (Kriegspsychose), so mußte ich, 1916, unser technisches Büro wieder selbst übernehmen und alle WEL Pläne begraben. Vorläufig kann ich mir zur Not noch jene „Millionen" wertloser Kronen verdienen, von denen ich zusammen mit den Geschwistern meines verstorbenen Kompagnons heuer (also vom Jänner bis Anfang Juni) bei aller primitivster Lebensführung spielend schon über 40 Millionen durchgebracht habe. Zu Neujahr 1923 mußte ich sogar an die 8 Millionen aufnehmen, um die inzwischen überraschend hoch angestiegenen Patenttaxen zahlen zu können. –
So sehen Sie also den Welteismann von der Hand in den Mund leben mit einem Wechsel in der Tasche, den alle Akademien des eisärmsten Planeten unseres Systems zusammen nicht einlösen können. Hätte ich nicht schon gelernt meiner Lage, wie Sie sehen, auch heitere Seiten abzugewinnen, wäre es einfach zum Schießen.
Nun ich Ihnen meine Lage geschildert habe, werden Sie erkennen, wie gefährlich es für ein erst in Gründung befindliches noch unfinanziertes Film-Unternehmen ist, mich zum Abschluß einzuladen! - Vor dem Kriege hätte ich ohne Zögern sofort ja gesagt. - Aber heute muß ich vor allem die Finanzfrage, ja die Existenzfrage stellen.
Dabei muß ich bekennen, daß ich auch einen Vertrag mit einem Verlag habe, den ich aus besagten Gründen auch nur z.T. einhalten kann. Will heißen: Ich kann kaum unseren fleißigen WEL-Mitarbeitern die notdürftigsten Unterlagen von Fall zu Fall liefern, weil mich das schon fast irreparable Vernachlässigungen des Geschäftes bzw. Brotberufes kostet, geschweige denn, daß ich an die Inangriffnahme der vertraglichen II. Auflage derzeit denken könnte.
Ein erträgnisloser Hausbesitz ist bei Geschw. R. wohl da; aber auch damit würden sie binnen Kurzem fertig sein, wenn es zu einem noch so guten Verkaufe käme. Vorläufig hat dieser Hausbesitz nur den Nachteil, daß die jüngere Schwester überall Kredit hat. -Meine diesbezügliche Lage ist gar nicht zu schildern. Auch diese Sorge müßte mir abge¬nommen werden, wenn es zu einem rationellen WEL- und WELfilm-Arbeiten vor dem Versiegen des Restes meiner Arbeitskraft kommen sollte.
Nachdem ich Ihnen nur für Ihr wohltuendes WEL-Vertrauen noch weiter reinen Wein eingeschenkt habe, lassen Sie bitte hören, ob Sie mir noch immer Vorschläge machen können. Was verstehen Sie unter Hr.-Gesellschaft? Mit wem haben Sie da etwa schon gar verbindlich verhandelt? - Wen von diesen Herren haben Sie bereits kennen gelernt? -Wie habe ich es zu verstehen, wenn Sie meinen, daß es nur von meinem „Wollen" abhängt, um durch die Hr.-Gesellschaft die notwendigen Kapitalien teils auch in Schweden aufzubringen?
Ich meine noch immer, daß Sie die Schwierigkeiten einer wirklich wissenschaftlichen WEL-Verfilmung auch dann unterschätzt hätten, wenn Sie mich als 63 Jährigen wirtschaftlich vollständig unabhängig von unserem Elendfrieden, und bei voller Arbeitskraft als Herren meiner Zeit gewähnt hätten. Denn dann könnte ich wenigstens sagen, daß alle Verfilmungsarbeiten nur aufgrund der in meinem Büro erst herstellbaren graphischen Unterlagen vorgenommen werden dürfen. Aber was kann Ihnen, oder mir das von Ihnen erwartete Mittun-„Wollen" nützen?
Meinen Sie etwa, daß Dr. Voigts: „Eis ein Weltbaustoff" oder unser vergriffenes Hauptwerk schon als Verfilmungsunterlage genügt? - Doch ganz ausgeschlossen! Unser Hauptwerk darf nur als erster Notschrei gelten - und Dr. Voigt wollte ja auch nichts anders, als die WEL der Vergessenheit und dem Todtgeschwiegensein entreißen. Sprechen Sie mit ihm, er wird Ihnen das bestätigen, daß erst mir jene Arbeitsmöglichkeit geschaffen werden muß, die ich zu solcher Ausarbeitung ohne Gefahr für den Rest meiner Gesundheit brauche!
Wer hat Sie übrigens, wenn ich fragen darf, nach Mauer gewiesen? - Es hat mir nämlich vor 14 Tagen schon Herr Chefredakteur Junker u.a. auch den schon so oft gehörten Verfilmungs-Vorschlag gemacht, bevor er nach Berlin gefahren ist. Auch meinte er, daß er zu Film-Herren Beziehungen habe. Wir hatten aber in der kurzen Zeit unserer neuen Bekanntschaft so viel WEL-Sachliches zu verhandeln, daß ich gar nicht dazu kam, ihm meine Lage näher zu schildern, die er doch vor allem kennen müßte, bevor er einen Film-Herrn fürs Welteis erwärmt.
Mein Ehrgeiz strebt nicht darnach, in einem Filmunternehmen etwa eine mitführende Rolle zu spielen. Ich erhebe nur den Anspruch, daß nichts verfilmt werden darf, was nicht auf der Höhe meiner augenblicklichen Erkenntnisse steht. Und daß ich da seit 1904-1910 Fortschritte gemacht habe, ist doch selbstverständlich. Und das in einer Weise von mir zu geben, daß es im Film-Zeichenbüro klaglos verwertet werden kann, daß scheint mir unter meinen geschilderten Elendsfriedensverhältnissen das unlösbare Problem.
Der englische Staat hat unsere 2 Patente im 8ten Jahr ihrer 15jährigen Schutzdauer beschlagnahmt und vier gute Lizenzverträge annulliert. Ich kann nachweisen, daß ich da mindestens um £ 70.000 - geschädigt wurde, die man auch leicht auf £ 100.000,- hinauf rechnen könnte. Natürlich würde man mich auslachen, wenn ich das jetzt in meiner geistigen und wirtschaftlichen Not geltend machen wollte. Würde es aber meinem Verleger in Verbindung mit einem WEL-Filmunternehmer gelingen, die WEL auch in England und Amerika publik zu machen, dann könnte man vielleicht an das wissenschaftliche Ehrgefühl der da nicht ganz unempfindlichen englischen Gelehrten appellieren! In Schweden hatte ich einen Lizenzvertrag mit der Maschinenfabrik „Atlas" in Stockholm aus der Vorkriegszeit, nach welchem die Lizenzprämien allerdings in ö K zu zahlen waren. Als bei uns dann 1 kg Brot ö K 5000 - kostete, zahlte mir diese schwedische Weltfirma die Beträge noch immer in ö K trotz aller Gegenvorstellungen. Der letzte Scheck, den ich 1922 von dort erhielt lautete auf (M 2.50 Postspesen = 150 Mark) ö K 37,30, ein Betrag für den ich mir 7 Gramm Brot kaufen konnte - ein Betrag zugleich, für den Atlas damals weniger als 3 Öre zu erlegen hatte. Ich habe mir den Scheck aufgehoben, um ihn einrahmen zu lassen. Ich erzähle Ihnen das, weil Sie mit Schweden arbeiten wollen. Will dieses gesegnete Land sich von der Nachwelt von einer heiteren Schande loskaufen, so veranlassen Sie es, eine Million schwed. Kronen auf mein Konto beim Wiener Bank Verein Filiale Mauer zu erlegen; ebenso könnte England denselben Vorteil vorläufig noch mit £ 100.000 - billig erwerben. Später kostet die Sache schon mehr. Doch ich will mich zum Schlüsse wieder nüchtern fassen und Sie bitten, sich auch noch die folgenden WEL-Bücher anzuschaffen: Hanns Fischer: „Die Wunder des Welteises" 1922 Hermann Paetel G.m.b.H. Berlin, Max Valier: „Die Entwicklung des Sonnensystems" 1923 Hermann Paetel, Berlin. Hanns Fischer: „Rätsel der Tiefe" 1923, R. Voigtländer Verlag Leipzig Dr. H. Voigt: „Die Welteislehre und ich" 1923 bei Voigtländer, Leipzig.
Die übrigen Werke des beifolgenden Prospektes erscheinen erst im Verlaufe des Herbstes. Wenn Sie das alles gelesen und die heutigen Schilderungen meiner Lage wohl erwogen haben, erbitte ich mir ihre etwaigen weiteren Vorschläge. -
Inzwischen für Ihr geneigtes Interesse an der WEL nochmals bestens dankend zeichnet

hochachtungsvoll:
H. Hörbiger
3 Prospekte