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Richtlinien und Satzungen der Novembergruppe
  • Repro: Berlinische Galerie
Transkription / Beschreibung

Berlin, im Januar 1919

„Novembergruppe“
Geschäftsstelle:
Potsdamer Str. 113
Villa II.


Sehr geehrter Herr!

Unserer jahrelangen Kampfansage ist endlich der Kampf gefolgt. Die politische Umwälzung hat für uns entschieden.
Maler, Bildhauer, Architekten des neuen Geistes, die Revolution fordert unsere Sammlung!
Wir bitten auch Sie, auf Grund der beiliegenden „Richtlinien“ und „Satzungen“ sich der „Novembergruppe“ anzuschließen.

Der Zentral-Arbeitsausschuß der „Novembergruppe“

R. Bauer, Bildhauer Belling, B. Hasler, C. Klein, M. Melzer, Architekt Mendelsohn, Richter-Berlin, M. Pechstein, G. Tappert.

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Richtlinien der „Novembergruppe“

I. Die „Novembergruppe“ ist die (deutsche) Vereinigung der radikalen bildenden Künstler.
II. Die „Novembergruppe“ ist kein wirtschaftlicher Schutzverband, kein (bloßer) Ausstellungsverein.
III. Die „Novembergruppe“ will durch umfassenden Zusammenschluß der gleichgesinnten, schöpferischen Kräfte maßgeblichen Einfluß auf die Entscheidung aller künstlerischen Fragen erlangen.
IV. Wir fordern Einfluß und Mitarbeit:
1. bei allen Aufgaben der Baukunst als einer öffentlichen Angelegenheit,
Städtebau – Siedlungswesen – öffentliche Bauten der Verwaltung, der Industrie und der Volkswohlfahrt – private Bautätigkeit – Denkmalspflege – Beseitigung künstlerisch wertloser Prunkbauten
2. bei der Neugestaltung der Kunstschulen und ihres Unterrichts,
Aufhebung behördlicher Bevormundung – Wahl der Lehrer durch die Künstlerverbände und die Studierenden – Aufhebung der Stipendien – Vereinheitlichung der Schulen für Baukunst, Bildhauerei, Malerei und Schmuckkunst – Einrichtung von Arbeits- und Versuchsstätten
3. bei der Umwandlung der Museen,
Aufhebung der einseitig gefärbten Sammlertätigkeit – Beseitigung ihrer wissenschaftlichen Überfüllung – Umwandlung der Volkskunststätten zu vorurteilslosen Vermittlern zeitloser Gesetze
4. bei der Vergebung der Ausstellungsräume,
Beseitigung von Vorrechten und kapitalistischen Einflüssen
5. bei der Kunstgesetzgebung,
Soziale Gleichberechtigung der Künstler als geistig Schaffenden – Schutz des künstlerischen Eigentums – Steuerfreiheit des Kunstwerke (freie Aus- und Einfuhr).
V. Die „Novembergruppe“ wird durch fortlaufende Veröffentlichungen und eine alljährlich im November stattfindende Ausstellung ihre Geschlossenheit und ihre Leistungen beweisen.
Die Organisation der laufenden Veröffentlichungen und Ausstellungen besorgt der Zentral-Arbeitsausschuß.
Vereinsmitglieder haben Anspruch auf den gleichen Flächenraum und sind juryfrei. Über Sonderausstellungen entscheidet in gleicher Weise der Zentral-Arbeitsausschuß.

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Satzungen der „Novembergruppe“


Name und Sitz
§ 1. Der Verein heißt „Novembergruppe“ und hat seinen Sitz in Berlin. Er wird zur Erlangung der Rechtsfähigkeit in das Vereinsregister eingetragen.

Zweck
§ 2. Der Verein bezweckt den Zusammenschluß der radikalen, bildenden Künstler; Maler, Bildhauer, Architekten, zur Vertretung und Förderung ihrer künstlerischen Interessen.

Mitgliedschaft
§ 3. Die Anmeldung von Mitgliedern erfolgt schriftlich durch die Vertrauensleute der Ortsgruppen. Über die Aufnahme entscheidet der Zentral-Arbeitsausschuß mit Zweidrittelstimmen-Mehrheit.
§ 4. Die Höhe des Mitgliedabeitrags bestimmt jährlich die Mitgliederversammlung.
§ 5. Die Mitgliedschaft endet:
a) durch schriftliche Erklärung an den Arbeitsausschuß, mindestens einen Monat vor Ablauf des Geschäftsjahres
b) durch Ableben,
c) durch Ausschluß. Zum Ausschluß führen Handlungen gegen das Interesse des Vereins. Den Ausschluß beschließt auf Antrag der Vertrauensmänner der Ortsgruppen bzw. des Zentral-Arbeitsausschusses die Mitgliederversammlung mit Zweidrittelstimmen-Mehrheit.

Ortsgruppen
§ 6. Zur Förderung der Vereinsziele werden in den Kunstzentren Ortsgruppen gebildet.
Die Ortsgruppen wählen aus ihrer Mitte bis zu 3 Mitglieder als Vertrauensmänner. Der Zentral-Arbeitsausschuß bestätigt die Wahl.

Vereinsleitung
§ 7. Die Geschäftsführung des Vereins wird von dem Vorstand besorgt, derselbe setzt sich zusammen aus: Vorsitzenden, Schriftführer, Kassierer. Der Vorsitzende ist der Vorstand im Sinne des Gesetzes.

§ 8. Die Vertrauensmänner der Ortsgruppen wählen einen Arbeitsausschuß. Der Arbeitsausschuß wählt jährlich aus seiner Mitte den Zentralarbeitsausschuß und den Vorstand. Sitz des Zentral-Arbeitsausschusses ist Berlin, derselbe vertritt die künstlerischen Interessen der Vereinigung und überwacht die Geschäfts- und Kassenführung des Vorstandes. Er hat das Recht, Kommissionen für besondere Zwecke einzusetzen.

§ 9. Die Mitgliederversammlung tagt jährlich am 9.11. Sie wird einberufen zur Entgegennahme des Rechenschaftsberichts und zum Vollzug der satzungsgemäßen Wahlen. Die Mitgliederversammlung ist unter allen Umständen beschlussfähig.
Außerordentliche Mitglieder-Versammlungen können jederzeit nach Bedarf oder auf schriftlichen Antrag von mindestens Eindrittel der Mitglieder durch den Vorstand einberufen werden. Die Einladung zu den Mitgliederversammlungen erfolgt durch den Vorstand mindestens zwei Wochen vor dem Zusammentritt. Die Tagesordnung wird mit der Einladung bekanntgegeben. Die Tagesordnung wird durch den Zentral-Arbeitsausschuß im Einvernehmen mit dem Arbeitsausschuß festgesetzt.

Änderung der Satzungen
§ 10. Die Satzungen können auf Antrag des Arbeitsausschusses abgeändert werden. Die Änderung muß von Zweidrittel der in der Mitgliederversammlung abgegebenen Stimmen gebilligt werden.

Auflösung
§ 11. Über die Auflösung des Vereins und die Verwendung des Vereinsvermögens beschließt die Mitgliederversammlung mit Zweidrittelstimmen-Mehrheit.

Geschäftsjahr
§ 12. Das Geschäftsjahr des Vereins läuft vom 9. November des einen bis zum 8. November des anderen Jahres.

Berlin, den 16. Dezember 1918