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Brief oder Notiz von Elfriede Hausmann an Raoul Hausmann, Hedwig Hausmann und Vera Broido. [Berlin]
  • © Unterliegt nicht dem Urheberrechtsschutz
  • Repro: Anja Elisabeth Witte
    • Elfriede Hausmann-Schaeffer (1876 - 1952)

  • TitelBrief oder Notiz von Elfriede Hausmann an Raoul Hausmann, Hedwig Hausmann und Vera Broido. [Berlin]
  • DatierungSommer 1931
  • GattungKorrespondenz
  • SystematikBrief
  • MaterialPapier, handgeschrieben, Tinte
  • Umfang1 Blatt
  • KonvolutTeilnachlass Raoul Hausmann
  • InventarnummerBG-RHA 304
  • CreditlineErworben aus Mitteln der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, und Spendenmitteln, 1991
  • BezügeBrief, Korrespondenz, 2.1.1 an den Nachlasser (pK), Deutschland / Berlin, Nachlass Raoul Hausmann
  • AusgestelltNein
Transkription / Beschreibung
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»ich empfinde das alleinsein teils als ein glückhaftes sich selbst erleben, teils als eine große Unfruchtbarwerdung innerer Kräfte. Ich bin stark glücksempfindungsfähig, aber im Beisammensein mit Menschen habe ich auch diese Empfindung meist für mich allein, und der Gegensatz zu Menschen beim Zusammenleben ist nach und nach so stark geworden, daß ich dort fast einsamer bin, als wenn ich wirklich allein bin. Und doch wünsche ich eigentlich mit den paar Menschen Zusammensein zu können, ohne daß ich mich in mich selbst verschließe. Ich wünsche so ruhelos, meinen Weg gerade und einheitlich zu machen und unbefangen ich selbst zu sein, und doch gelingt mir das kaum je im Zusammenleben. Warum ist da niemals einer mit ein bisschen Zärtlichkeit, vor dem man furchtlos klein und dumm sein darf. Man würde ja deswegen nicht faul und sich selbst vernachlässigend werden, oder nichts von sich verlangen, denn das gebe ich doch nie auf, im Gegenteil auf dieser Basis von Wärme und Menschlichkeit könnte man sich doch erst immer wieder neu entfalten und die Ruhe und Sicherheit gewinnen mit der man andern fruchtbar gegenüber steht. Vor Euch werde ich nach und nach zu etwas völlig ausgelöschtem, und ich empfinde es als eine schreiende Ungerechtigkeit, daß ich in sechs Wochen meinen Sonntag sozusagen pressen muß, und Ihr lebt mir mit einer unerhörten Selbstherrlichkeit Eure Liebe von dreien nein eigentlich zu zweien vor. Das könnte mich ja nichts angehen, wenn ich nicht einmal selbst da drinnen gestanden hätte mit allen Fasern, und nun nach und nach so abgedrängt worden bin, daß ich eigentlich überhaupt nicht mehr weiß, wo ich eigentlich hingehöre. Ich kann es nicht zulassen, daß der Mann einzig die erotische und die erzieherisch herrschende Rolle übernimmt, und es dann einer Frau überläßt, ihre Schwester gelegentlich zu entschädigen für das, was ihr der Mann nicht mehr geben zu können glaubt. Es muß immer Mann und Weib geben einzeln oder zu mehreren, und jedes Geschlecht müßte gleichzeitig, unabhängig von Alter und Zeit, dazu in der Lage sein, seine Mütterlichkeit - Menschlichkeit einzusetzen. Giebt es nur Zärtlichkeit und Wärme aus Erotik, dann kann es nie Gemeinschaft geben. Wo bleibt da der älter werdende Mensch, der trotzdem noch lebendig ist; und wenn er auch bescheidener zurücktreten würde, doch nicht ohne Wärme oder Gegenseitigkeit leben könnte, es sei denn, er wird stündlich dazu gezwungen, seinem eigenen Gefressenwerden auf die unbarmherzigste Weise zuzusehen. Dann ist es ja schon besser, man kriecht in seine eigene Höhle und macht seinen Jammer mit sich allein ab. Dazu hat es mich diesen Sommer immer wieder getrieben, trotz innerer Opposition, und jetzt schreie ich noch einmal, muß denn das sein? Könnte nicht auch der Mann einmal seine Rolle etwas erweitern, auch ohne daß er auf der andern Seite zu kurz kommt? Es erniedrigt mich vor mir selbst, schlecht behandelt zu werden.
Sommer 31«