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Hyle
  • © Berlinische Galerie, Berlin / VG Wort, München
    • Raoul Hausmann (1886 - 1971)

  • TitelHyleRomanmanuskript.
    Beiliegend Postkarte von Elfriede Stegemeyer
  • Datierung1926 - 1933
  • GattungManuskripte
  • SystematikTyposkript
  • MaterialPapier, maschinengeschrieben, handgeschrieben, Durchschlag
  • Umfang402 Blatt
  • KonvolutTeilnachlass Raoul Hausmann
  • InventarnummerBG-RHA 1732
  • CreditlineErworben aus Mitteln der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, und Spendenmitteln, 1991
  • Bezüge1. OBJEKTE / WERKE, Nachlass Raoul Hausmann, Roman, Texte von Raoul Hausmann, Hyle
  • AusgestelltNein
Transkription / Beschreibung
Zugehörige Objekte

Die letzte Seite des unveröffentlichten Romans Hyle
[Limoges, vermutlich 1951]


»Das Leben in Berlin? Seit Hitler Reichskanzler wurde - sieht man überall, hört man überall nur „Juda verrecke, Deutschland erwache". Im Arbeitersportladen von Löwenstein, der mit vielen Nazijungs gut stand, weil er ihnen niedrige Preise machte, der bis dahin nicht belästigt war, ist eines Morgens eingebrochen. Alles Brauchbare herausgeholt. Die Polizei? sagt „Sie sind selber Schuld; Sie haben die Hitlerjungs verführt, was haben Sie so viel Ware aufzustapeln" - tut nichts. Die Arbeiter von Nora in der Wilmersdorferstrasse werden eines Abends von derselben Hitlerjugend entsetzlich verprügelt. Der Reichstag brennt, man verhaftet den angeblichen Brandstifter van der Lübbe, angeblich ein Kommunist. Man schlägt hier und dort Intellektuelle halbtot, die Krankenhäuser weisen sie ab, wollen solche Verbrecher nicht behandeln; im Geheimen gehen jüdische Aerzte wie Kobler unter Lebensgefahr, ihnen Hilfe leisten - es ist zu spät.
Die Kommunistische Partei lehnt es ab, gemeinsame Front mit den Sozialdemokraten zu machen; Lasst Hitler nur kommen, nach vier Wochen sind wir an der Macht. Das Bauhaus, das Mies van der Rohe nach Berlin legte, wird geschlossen. Ein paar massig moderne Maler, wie Tappert und andre, verprügelt. Niemand, der nicht ein elender kleiner Spiessbürger oder ein grosser Lügner und Verbrecher ist, kann seines Lebens mehr sicher sein. Leben in diesem Berlin, diesem Deutschland ist Unmöglichkeit geworden. Blut und Boden, arische Rasse, Volksgemeinschaft - ebenso viele Unbestimmtheiten genügen, um Hunderttausende zu martern, zu erschlagen, in Todeslager zu stecken. Brennende Synagogen, Plünderungen, Massenverhaftungen „Degenerierter" - das sind die ersten Anzeichen eines neuen tausendjährigen Reiches, in dem der anständige arische Deutsche Alleinherrscher sein soll.

Gal beschliesst Nachts um zwei Uhr, den achten März neunzehnhundertdreiunddreissig, Berlin zu verlassen. Die Koffer werden gepackt, Geld von der Bank mit Erlaubnis der Devisenstelle geholt - sehr wenig - und um zehn Uhr Nachts, den neunten März, verlassen sie zu Dritt diesen Ort des Schreckens. Für immer. Ueber Paris, nach Spanien. Isla de Ibiza.«