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Brief von Raoul Hausmann an Hannah Höch
  • © Unterliegt nicht dem Urheberrechtsschutz
  • Repro: Anja Elisabeth Witte
    • Raoul Hausmann (1886 - 1971)

  • TitleBrief von Raoul Hausmann an Hannah Höch[auf der Rückseite: Abschrift des Heftes von Raoul Hausmann durch Hannah Höch]
  • Date3.2.1918
  • CategoryBrief
  • ClassificationKorrespondenz
  • MaterialPapier, handgeschrieben mit Tinte
  • Dimensions16,5 x 21 cm (Blattmaß)
  • Amount4 Blatt (4 Seiten)
  • FondsNachlass Hannah Höch
  • Inventory NumberBG-Ar 14/98,20
  • CreditlineSchenkung aus Privatbesitz, 1998
  • TermsBrief, Korrespondenz
  • On DisplayNo
Transcription / Description
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"3. Februar 18
Wie ich durch Grete hörte, hast Du nach Erhalt meines Heftes viel geschrieben. Es wäre möglich, dass Du mir einen Brief schicken willst. Ich bitte Dich, dies nicht zu tun. Dieser Brief könnte nur Deine Verteidigung enthalten. Und diese Verteidigung schlösse in sich, dass Du meinen Ausführungen misstraust, in der Art, als versuchte ich in dem Heft, die Dinge zu meinen Gunsten zu deuten oder zu drehen. Davon d̲a̲r̲f̲ garnicht die Rede sein. Es würde bedeuten, dass Dein Misstrauen mir gegenüber und Dein b̲e̲s̲s̲e̲r̲e̲s̲ Wissen mir nicht zugeben kann, wonach ich vor allem strebe: nach einem Conflikt die Dinge n̲i̲c̲h̲t̲ männlich sondern m̲e̲n̲s̲c̲h̲l̲i̲c̲h̲ zu betrachten; nicht mir zutrauen, dass ich mich selbst prüfe wie D̲u̲ Dich und zu u̲n̲s̲e̲r̲e̲n̲, nicht allein zu meinen Gunsten schreibe. Es würde bedeuten, dass Du wieder nach Überwindung Deiner Abwehr durch mich zu einer V̲e̲r̲z̲e̲i̲h̲u̲n̲g̲ gelangen würdest. Das kann und darf nicht sein. Du kannst frei die Entscheidung Ja oder Nein herbeiführen - aber intellektuell will ich auf nichts mehr eingehen. Es ist genug geschrieben, jetzt handelt es sich um‘s Ich stehe voll auf dem Grunde des Tolstoischen: nichts zu verzeihen, weil man dies garnicht darf. Ich habe Dir nie “verziehen“ - ich war immer mit meinem ganzen Sein . Bei mir blieb nie Groll nach. Und hier handelt es sich um: Vertrauen. Erstens in meine Reinheit - denn dass unser körperliches Geschehen und die Beziehungen ganz rein waren, kannst Du nicht leugnen - oder Du hast immer geheuchelt. Diese Reinheit des körperlichen Geschehens erweist meine Reinheit; eine andre Entscheidung ist bürgerlich. Erkenne diese Reinheit an. Lehne sie ab - und erniedrigst und beschimpfst Dich und mich. Zweitens: erkenne meine Verantwortungserkenntnis an, in Vertrauen, dass ich mich selbst prüfe, dass ich nie aus Bequemlichkeit eine noch so geringe Tat unterlasse oder “Anbetung“ verlange (dies schriebst Du mal) und glaube, dass Dein Intellekt nichts taugt, hysterisch b̲l̲e̲i̲b̲t̲, solange Du den eignen Antagonismus: der Andre in Du, nicht leisten kannst. Ich meine den grenzenlosen, menschlichen Andern, keinen bürgerlichen. Erkenne, dass dieser Antagonismus beim Mann:
Vater und Sohn, also Sehnsucht nach den Mutterinstinkten der Frau, bei der Frau: Jungfrau und Mutter, also Erwiederung [?]‚ Auflösung dieses Kind-Sein-Wollens des Mannes, (ausser dem eigentlichen Mutterschaftstrieb der Frau) heisst und umschliesst. Du bist nicht mütterlich. Du bist jungfräulich. (Mit dem Kind der “Geburt“ hat dies hier nichts zu tun.) Ich wünsche Deine Entscheidung vom Grundinstinkt aus, dem körperlichen Instinkt, dem wir die wenigen Stunden Glück verdanken, der jj war. Diesen Instinkt willst Du intellektuell-bürgerlich übertäuben - und davon habe ich genug. Da spare Dir jedes Wort. Ich würde n̲i̲c̲h̲t̲ antworten. Glaube n̲i̲c̲h̲t̲, ich bitte Dich darum, dass ich Dir solche Hefte schreibe, um ein intellektueller Sinnestäuscher [?] zu werden. Ich wünschte, nie eine solche Zeile nötig gehabt zu haben. Aber wenn ich D̲u̲ [Da?] war, hast Du mich fortgestossen. Und mich zum Intellektualismus, von dem ich genug weiss, den ich genau durchschaue, als elendes Hilfsmittel, gezwungen.
Gesinnung ist, was einer aus, in uns mit seinem ganzen Leben macht. R."