„Bl. 6, 9 40[1]
Deine Karte hat mir viel Vergnügen gemacht. Am Abend des Empfangs trafen wir zufällig bei Elisabeth Klockmann[2] Raoul und Elfriede. Was daraus entstanden ist, erhältst du beifolgend. Du sollst die Seiten 147-151 des Dada-Almanach[3] den Römern vorlesen. Daß die rot angekreuzten Stücke von dem Dadaisten Baader sind, weißt Du. Baader wird demnächst in Worms Bordell[4] auftreten. Große Sache. Motto: »Dada ist die Weltrevolution und die Dadaisten sind ihre Schieber. Huelsenbeck ist der Oberschieber. Der Praesident des Erd- und Weltballs.« - Sei doch so gut und sage Benedikt[5], er möge die sella curulis[6] oder die cathedra ex[7] machen, Baader kommt in die Peterskirche und wird die erste große Weltdada-messe zelebrieren. Benedikt soll Posaune blasen. Aber rechtzeitig. Auch seine Töne kann dada brauchen. Die Dadaisten haben aufgehört als selbständige Masse zu existieren. Raoul hat an die Kaiserin Dada[8] geschrieben: es gibt nur noch zwei Dadaisten: Huelsenbeck und Baader. Also gibt es nur einen, denn Huelsenbeck ist doch keiner. Sage das meinem Freund Evola[9], Rom, 197 Corso Vittorio Emmanuele (Herausgeber der Arte astratta; Baader läßt schön danken und vielmals grüßen). Bild ohne Bart[1]0 erscheint nach dem Prozeß[11] in den illustrierten Zeitungen. (Nächstes Jahr findet der Kosmische Kongreß der ersten dadaistischen Geister des Erd- und Weltballs statt. Ort: Peking; wenn der Vatikan frei ist, werden wir dort Zwischenstation machen.) Der internationale Oberdada Baader“.//
[1] Nach Baaders Zeitrechnung der 6. 11.1920, 9.40 Uhr.
[2] Hausmann und Elisabeth Klockmann veranstalteten am 15. Dezember 1920 einen Vortragsabend in den Räumen der Berliner Secession.
[3] Auf Seite 147-151 des Dada-Almanach ist der Artikel von Raoul Hausmann Rückkehr zur Gegenständlichkeit in der Kunst abgedruckt.
[4] Fried Hardy Worms (Hg.) Das Bordell. Eine
groteske Publikation. Berlin: Worien und Worms, 1921 [hha].
[5] Benedikt xv., Papst von 1914 bis 1922.
[6] sella curulis (lat.): Thronsessel des Papstes
[7] ex cathedra (lat.): vom (päpstlichen) Stuhl, d.h. aus päpstlicher Vollmacht und daher unfehlbar. Mit der wortspielerischen Umstellung ist wohl gemeint, der Papst solle seinen Platz räumen.
[8] Kaiserin Dada: Elfriede Hausmann-Schaeffer.
[9] Julius Evola (1889-1974): Philosoph, Schriftsteller, Maler.
[10] Johannes Baader ließ 1920 seinen Bart »fallen«.
[11] Am 20. April 1921 fand der Prozeß des Reichswehrministeriums gegen die Dadaisten Baader, Burchard, Herzfelde und Schlichter statt.