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Brief von Theo van Doesburg an Hannah Höch. [Clamart]
  • © Unterliegt nicht dem Urheberrechtsschutz
  • Repro: Anja Elisabeth Witte
    • Theo van Doesburg (1883 - 1931)

  • TitleBrief von Theo van Doesburg an Hannah Höch. [Clamart]Briefkopf: "NB DE STIJL [...]"
  • Date09.09.1924
  • CategoryKorrespondenz
  • ClassificationBrief
  • MaterialPapier, handgeschrieben
  • Amount2 Blatt
  • FondsNachlass Hannah Höch
  • Inventory NumberBG-HHC K 128/79
  • Other NumberBG-HHE II 24.11
  • CreditlineErworben aus Mitteln des Senators für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, 1979
  • TermsBrief, Korrespondenz, 2.1.1 an den Nachlasser (pK), Frankreich/Clamart, Nachlass Hannah Höch, De Stijl
  • On DisplayNo
Transcription / Description
Additional Reproductions

"Bezügl. Wasmuth / Clamart, den 9.9.1924 / Mein liebes Hännchen, / Für einige Woche bekam ich von Wasmuth einliegende Karte. Ich schließe daraus daß es sich doch mühe gibt die Abbonnentsgelder ein zu lößen. (Das wird wohl alles kein richtiges Deutsch sein, aber sie verstehe mich trotzdem!) Nun möchte ich Ihnen noch mal bitten für mir nach Wasmuth zu gehen und ihm zu fragen ob die Leute jetzt alles gezahlt haben. Die neue Hefte sind sofort von der Druckerei geschickt worden. Falls die Abonnenten aber nicht bezahlt haben, werden ich eine weitere Zusendung einstellen. Ich brauche nml: Geld um meine Stijlaffaire weiter zu treiben. Haben Sie meine letzten Brief erhalten. Ich schrieb ihnen über den Empfang der Stijl-Hefte. Es sollen doch noch mehrere da sein, oder? Hoffentlich komme ich halb Oktober nach Deutschland und hoffe meine Sachen dann alles zu erledigen. Möchte Sie Platz für uns 2en haben, dann war uns das sehr willkommen. Bitte schreibe uns doch mal ob das geht. / Vielleicht können Sie mit uns zurück fahren! Es gibt hier jetzt viele deutschen obschon das Kunstlebe, immer mehr zur Zéro geht. /
Sie werde schon nummer 6/7 von Stijl XIIe Serie erhalten haben! Ich schicke Ihne noch ein Heft, falls Sie es nicht erhalten haben. Wenn Sie 2 haben, geben Sie 1 weiter.- / Mein Geld ist alle. Deshalb möchte ich wenn ich via Deutschland nach Prag fahre, wo wir Beides eingeladen sind für Vortrag - und Musikabend, in Deutschland unsere Vorträge haben. Schwitters, der Ewige Freund seiner Merz - Freunden versucht schon für uns in Hannover, Magdeburg u. Braunschweig. Wie ist es in Berlin. Gibt es irgend ein Möglichkeit einen Vortrag über «eine neue Gestaltung in der Architektur» (mit Lichtbildern) zu arrangieren. oder für Nelly mit neue musik. [1] Vielleicht kann Dr. Behne, der viele Verbindungen hatt uns irgend eine Abend besorgen. Unsere Bedingungen: Reisespese und Pflegung frei, weiter das gewöhnliche Honorar (Burchartz [2] schrieb mir 100 G.M. Stimmt das? - Aber weniger ist auch gut. Wenn wir nur kein deficit haben und ich den Transport meiner Sache (welche noch in Weimar u Berlin stehen) heraus bekomme bin ich zu frieden. / So dreckig, wie es Mondrian eine Zeit gegangen war, geht es uns heute. Es gibt für die abstrakten Künstler in Paris überhaupt nicht zu fressen. Jetzt geht es Mondrian besser, weil er schöne Blume malt wie Frauen und schöne Frauen wie Blumen. [3] Gott verhütet daß ich auch zur Kompromissen komme! Ich werde nur Popo malen, oder wie van Dongen [4] tatsächlich Frauenpopo bemalen. So etwas wird hier rasch zur Mode und man kann sich ein kleines Auto leisten. Es soll doch wirklich kein Stolz dabei sein. Man muß doch etwas «neues», nie-da-Gewesenes erfinden. Die ganze Rückgang in der mi-mo-malerei in Pi-pi-paris ist bloß Folge, daß die Leute für ihre Abstraktionen keine Käufer finden können. Das hat die ganze Bande (jetzt auch Léger [5], und Gleizes [6]) ins Popoïsmus getrieben. Die 1925 Ausstellung [7] wird eine ganz raffinierter Schwindel! Es gibt jetzt schon ein Atelier wo alle eingesandte Entwürfe der «Pompiers» [8] modernisiert werden. Ganz automatisch. Nur auf den Knopf drücken. Das Geldstück soll aber ganz glatt sein damit das apparat funktioniert - / Und wie amüsiert man sich in Berlin. Oder amüsiert man sich dort überhaupt nicht. Ich glaube die Herren Redaktoren der neuesten Kunstzeitschriften sind tatsächlich verrückt geworden. Hans Richter hatt mir schon 1 1/2 Jahr um Artikeln gebeten und ich habe ihm allerhand geschickt. Statt die Sache zu drücken schreibt er mich vor wie ich schreiben muß nl: im Geiste Saties.[9] Ich habe ihm Saties Adresse angegeben. Der einzige der das kann - ist Satie. G habe ich auch bekomme. Der hatt schon beim 3ten Heft sein Kwadrat verloren. [10] Deshalb schaukelt er so hin u. her. Der Inhalt bringt nichts neues. [11] Wir wußten schon seit 1914 daß Maschinen schöner wie Menschen sind und daß Fabriksbauten besser sind wie Architektur von Architekten gemacht. Es ist grade so langweilig immer maschine und Fabrikhallen zu sehen, wie früher «Akt» «Popotanz» und Stilleben. Der Elefant habe sich bloß in ein Birne verwandelt. Bleibt alles beim alten (Hoffentlich ist der Kronprinz auch wieder Heim gekommen).- / Doch macht das Leben Spaß; bloß weil es so dumm ist. Es gibt jetzt ein Dadaismus ohne Dada. Picabia malt auch wieder seine Landschaften und soll sich doch nicht als Mal è r kompromittieren. Tzara ist schon längst nich mehr in Paris. Der Teufel weißt wo er hingeflogen ist. Es so hat auch tatsächlich kein sinn mehr länger in Paris, wo jeder Quartier ein «Burguemèstre» hat zu sein. / Picabia fragte mich im Dôme-Café: Aber was erwarten Sie von Paris. Sie sind «Constructiviste» also der totesfeind von Paris.
Paris ermordet. hier wird alles zur «Grab». Es gibt hier bloß Särge - man verliert sein Geld und sein Instinkt. Picasso ist ein Leichnahm und deine Sache sind zu gut, um schon ins Grab herab zu steigen». Die Atmosfere wird wohl vergiftet sein, aber man braucht auch das zum Leben und zum Sterben. Ich arbeite sehr Viel. Ich möchte, sie ware hier und könnte meine letzten Sachen sehen. Einige sehr große Bilder und viele neue Architektursachen. / Wie geht es Dr. Behne. Ich möchte gerne wieder mal mit ihm zusammen sein. / Was macht sein buch über Utilitätsbauten. [12] Man hätt mir davon erzählt. Ich habe sehr Schönes licht bildern-Material. Werde so viel ich schleppen kann mitbringen. Auch 391. Picabia hat mir versprochen zu schicken, aber ich habe nur ein sehr schönes Porträt von ihm bekommen. Es fehlt mir aber das Geld «Mécona» 6 drücken zu lassen.- / Die Architekten in Holland sollen viel Bauchspeck haben. Das macht das Karieren schwer. / Ich grüße Sie herzlichst, auch für Nelly und hoffe baldigst nachricht über Wasmuth-Stijl-affaire zu empfangen. / Herzlichst Ihr / Does *" /
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[1] Als möglicher Rahmen eines Auftritts von Nelly van Doesburg boten sich die Musikabende der Novembergruppe an.
[2] Max Burchartz (1887-1961), Maler.
[3] Zwischen 1922 und 1925 aquarellierte Mondrian bevorzugt einzelne Blumen, da seine naturalistische Malerei sich wesentlich besser verkaufen ließ als seine neo-plastizistischen Werke.
[4] Kees van Dongen (1877-1968), Maler.
[5] Fernand Léger (1881-1955), Maler.
[6] Albert Gleizes (1881-1953). In Paris geboren, lernte Gleizes 1911 Pablo Picasso kennen und war Mitbegründer der Section d'Or.
[7] Wahrscheinlich bezieht Doesburg sich hier auf die Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes, an der die De Stijl-Gruppe auf Grund der Ablehnung der verantwortlichen holländischen Sektionskommission nicht teilnehmen durfte.
[8] Despektierlich, im Sinne von die "Schwülstigen".
[9] Erik Satie (1866-1925), Komponist und Musiker.
[10] In den ersten beiden Nummern der Zeitschrift war im Titel hinter dem Buchstaben G ein Quadrat gesetzt, das als Hommage an Theo van Doesburg gedacht war, der den Anstoß zur Gründung des Periodikums gegeben hatte.
[11] Theo van Doesburg greift hier Picabias Hinwendung zur gegenständlichen Malerei an, die Picabia allerdings bereits 1922 vollzogen hatte.
[12] Adolf Behne: Der moderne Zweckbau. München: Drei Masken Verlag, 1926. Neuauflage in der Reihe Ullstein Bauwelt Fundamente 10 / Ulrich Conrads (Hrsg.), Verlag Ullstein, 1964. In dem nach Ländern gegliederten Bildteil befindet sich die Abbildung eines gemeinschaftlichen Entwurfs von Theo van Doesburg und Cornelis van Eesteren für die Gestaltung einer Universitäts-Aula (1923).