Brief von Raoul Hausmann an Jan Tschichold. [Poststempel: Berlin]
Raoul Hausmann




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Work data
Object Number
BG-RHA 769
Person / organization
Title
Brief von Raoul Hausmann an Jan Tschichold. [Poststempel: Berlin]
Date
02.04.1930
Classification
Extent
2 Blatt
Creditline
Purchased by Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten (own budget), Berlin, 02.04.1930
Convolut
Teilnachlass Raoul Hausmann
Owner
Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin, DE
Acquisition date
1992
Collection
Copyright
Not protected by copyright
Owner
Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin, DE
Acquisition date
1992
Collection
Artists' Archives
Copyright
Not protected by copyright
Texts
Transcription
»Herrn Jan Tschichold, München, Pranckhstr. 2.
Sehr geehrter Herr
In Ihrem Buch „Die neue Typographie", das mir erst jetzt zu Gesicht gekommen ist, schreiben Sie auf Seite 36 „Die allgemeine Ernüchterung zeitigt zunächst den Dadaismus. In Deutschland äussert er sich zunächst politisch radikal (Grosz, Huelsenbeck, Heartfield)." Warum lassen Sie da meinen Namen weg? Wo Sie doch mindestens aus Huelsenbecks „en avant dada" wissen müssen, dass ich von Anfang an die deutsche Dadabewegung politisch orientiert habe, und als erste Äusserung mit Huelsenbeck zusammen die „13 Punkte des Dadaismus" 1919 heraus gab, wie in „en avant dada" ja zu lesen ist; während Heartfield der Bewegung erst, nachdem ich mit Herrn J. Baader, Oberdada, nach Huelsenbecks Untertauchen im Militarismus nach dem 1. Dada-Abend in der Berliner Secession vom April 1918 an allein bis zum Herbst 1919 weiter geführt habe, was ich aus den Zeitungsbesprechungen der damaligen Zeit beweisen kann. Aber Sie schreiben ferner auf Seite 58 „Von wichtigen Veröffentlichungen aus dieser Zeit nenne ich die Dada-Veröffentlichungen von George Grosz, Heartfield, Hülsenbeck" - Sie wissen doch ganz genau, dass Heartfield nur Nr. 3 der von mir begründeten Zeitschrift Dada gemacht hat, die 1919 erschienenen Nr. 1 & 2 sind meine Typographische Arbeit und ohne jede Beteiligung der vorgenannten Herrn von meinem Geld gemeinsam mit Herrn Baader her ausgegeben; typographisch viel wichtiger als die Nr. 3, erschienen 1920. Ferner ist das Manifest dada sowie das Heft 8 der „Freien Strasse" die allererste deutsche Dada-Veröffentlichung im April 1918 erschienen, unter meiner typographischen Leitung. Das sind historische Tatsachen, von denen ich nicht weiss, warum Sie sie fälschen. Dann schreiben Sie Seite 92 „aber das, was Heartfield (der die Photomontage erfand)" - Herr Heartfield, ein bekannter Hysteriker, ist keineswegs der Erfinder der Photomontage. Ich stelle hier den historischen Sachverhalt fest: Im März 1918 fertigte Herr Johannes Baader das erste sogenannte Klebebild an, dem ich in den nächsten Monaten eine Anzahl eigene folgen liess. Die erste Photomontage, ausgestellt auf der Dada-Messe 1920 Klebebild aus Photocliche'es, stellte ich Anfang 1919 her. Ich stelle Photos sowie den Katalog der Dada-Messe darüber zum Beweis. John Heartfield hat sowohl Baader wie mich nachgemacht, und zwar erst 1 Jahr später. Ich sehe ferner aus Ihrem Buch, dass Sie unter den Typographien der damaligen Zeit alle Namen aufzählen, nur meinen geflissentlich fortlassen. Da Sie auch die Zeitschrift „Mecano", deren Mitarbeiter ich war, aufzählen, so muss ich auf Ihre bewusste Absicht, historische Dinge zu entstellen, um mich zu schädigen, schliessen und erbitte deshalb von Ihnen eine bündige Erklärung. Ich berufe mich auf die Kenntnisse dieser Dinge durch Dr. Adolf Behne und meinen Freund Kurt Schwitters. Was eine rachsüchtige Clique Ihnen erzählt haben kann, rechtfertigt nicht die von Ihnen entstellte historische Wahrheit. Ich bitte Sie, mir innerhalb der nächsten 8 Tage zu antworten, widrigenfalls ich andre Schritte unternehmen müsste.«
Transcription
»Herrn Jan Tschichold, München, Pranckhstr. 2.
Sehr geehrter Herr
In Ihrem Buch „Die neue Typographie", das mir erst jetzt zu Gesicht gekommen ist, schreiben Sie auf Seite 36 „Die allgemeine Ernüchterung zeitigt zunächst den Dadaismus. In Deutschland äussert er sich zunächst politisch radikal (Grosz, Huelsenbeck, Heartfield)." Warum lassen Sie da meinen Namen weg? Wo Sie doch mindestens aus Huelsenbecks „en avant dada" wissen müssen, dass ich von Anfang an die deutsche Dadabewegung politisch orientiert habe, und als erste Äusserung mit Huelsenbeck zusammen die „13 Punkte des Dadaismus" 1919 heraus gab, wie in „en avant dada" ja zu lesen ist; während Heartfield der Bewegung erst, nachdem ich mit Herrn J. Baader, Oberdada, nach Huelsenbecks Untertauchen im Militarismus nach dem 1. Dada-Abend in der Berliner Secession vom April 1918 an allein bis zum Herbst 1919 weiter geführt habe, was ich aus den Zeitungsbesprechungen der damaligen Zeit beweisen kann. Aber Sie schreiben ferner auf Seite 58 „Von wichtigen Veröffentlichungen aus dieser Zeit nenne ich die Dada-Veröffentlichungen von George Grosz, Heartfield, Hülsenbeck" - Sie wissen doch ganz genau, dass Heartfield nur Nr. 3 der von mir begründeten Zeitschrift Dada gemacht hat, die 1919 erschienenen Nr. 1 & 2 sind meine Typographische Arbeit und ohne jede Beteiligung der vorgenannten Herrn von meinem Geld gemeinsam mit Herrn Baader her ausgegeben; typographisch viel wichtiger als die Nr. 3, erschienen 1920. Ferner ist das Manifest dada sowie das Heft 8 der „Freien Strasse" die allererste deutsche Dada-Veröffentlichung im April 1918 erschienen, unter meiner typographischen Leitung. Das sind historische Tatsachen, von denen ich nicht weiss, warum Sie sie fälschen. Dann schreiben Sie Seite 92 „aber das, was Heartfield (der die Photomontage erfand)" - Herr Heartfield, ein bekannter Hysteriker, ist keineswegs der Erfinder der Photomontage. Ich stelle hier den historischen Sachverhalt fest: Im März 1918 fertigte Herr Johannes Baader das erste sogenannte Klebebild an, dem ich in den nächsten Monaten eine Anzahl eigene folgen liess. Die erste Photomontage, ausgestellt auf der Dada-Messe 1920 Klebebild aus Photocliche'es, stellte ich Anfang 1919 her. Ich stelle Photos sowie den Katalog der Dada-Messe darüber zum Beweis. John Heartfield hat sowohl Baader wie mich nachgemacht, und zwar erst 1 Jahr später. Ich sehe ferner aus Ihrem Buch, dass Sie unter den Typographien der damaligen Zeit alle Namen aufzählen, nur meinen geflissentlich fortlassen. Da Sie auch die Zeitschrift „Mecano", deren Mitarbeiter ich war, aufzählen, so muss ich auf Ihre bewusste Absicht, historische Dinge zu entstellen, um mich zu schädigen, schliessen und erbitte deshalb von Ihnen eine bündige Erklärung. Ich berufe mich auf die Kenntnisse dieser Dinge durch Dr. Adolf Behne und meinen Freund Kurt Schwitters. Was eine rachsüchtige Clique Ihnen erzählt haben kann, rechtfertigt nicht die von Ihnen entstellte historische Wahrheit. Ich bitte Sie, mir innerhalb der nächsten 8 Tage zu antworten, widrigenfalls ich andre Schritte unternehmen müsste.«
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