Brief von Johannes Baader an Raoul Hausmann. Hamburg
Johannes Baader




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Work data
Object Number
BG-RHA 854
Person / organization
Title
Brief von Johannes Baader an Raoul Hausmann. Hamburg
Date
02.03.1927
Classification
Extent
1 Blatt
Creditline
Purchased by Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten (own budget), Berlin, 02.03.1927
Convolut
Teilnachlass Raoul Hausmann
Owner
Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin, DE
Acquisition date
1992
Collection
Copyright
Not protected by copyright
Owner
Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin, DE
Acquisition date
1992
Collection
Artists' Archives
Copyright
Not protected by copyright
Texts
Transcription
»Hamburgs, Danzigerstr. 35; 2.3.27
L! Irgendso ähnlich werde ich es machen; Müller-Rastatt lachte nur, als ich ihm vorgestern den schönen B.T.-Brief zeigte. „Das hat mir das BT. abgelehnt!" „Soll ich gleich lesen?" „Nee; im Lauf der Woche sprechen wir noch darüber." Ich liess ihm das B.T.-Manuskript. Ob ich es drucken lasse im H.C. weiss ich noch nicht. Ich brauche nur ja zu sagen, und es erscheint, um ebensoschnell zu verpuffen.
Die Sache mit der Personalistik ist gut, sobald es gelingt, Ersatz für den fehlenden aktuellen Anlass zu finden. Aktuelle Anlässe, auf die pressemässig sofort funktionell zu reagieren ist, sind: Offizielle Einladungen an die Presse zu Besichtigungen, zu „Vorträgen", und gedruckte Bücher. Alles andere fällt unter den Tisch, wenn es nicht Politik, Verbrechen oder sonstige Volksbelustigung ist.
Du tust mir unrecht, wenn Du meinst, ich hätte weniger gelernt, „Beweis des Werts" nicht nur in Theorie sondern auch in Praxi ff. (heisst: „formfunktionell") zu durchschauen. Kenne wohl einen meiner Grundfehler, herrührend aus dem Zuhausesein in sehr wenig bewohnten Interesseräumen. Was Dich die Berliner, lehrte mich die Hamburger Gesellschaft. U.s.w. Buber sagte schon vor zwanzig Jahren zu mir5: „man hängt keine Firma heraus". D.h.: man tritt in den Interessalraum des Andern ein, und der Andere schwingt sofort aus Eigenem mit, oder man befindet sich in getrennten Interessalräumen, dann lacht der Besuchte, wenn ich von meinen, ihm ungreifbaren Goldschätzen in der andern Stube erzähle. „Bitte, bring sie mir!" Das geht nicht. „Dann nimm mich mit in die andre Stube!" Geht ebenfalls nicht. --- Der Mann ist betrunken! - - Eine der besten Sachen der gesamten Gegenwart. (BT. vom 1.3.27, M.) - Ab! Erledigt! Alles, was aus der eigenen, momentan tapezierten I-Stube (I=lnteressen)-Stube fällt. Einen Grad weiter (hinter der hohlen Hand:) „Der Kerl ist ja doch" (Drehbewegung mit dem Zeigefinger vor der Stirnmitte.)
Hülsenbeck ist wirklich schön gezeichnet; er hat tatsächlich meistens gerichardmetzelest; aber die Polarisatio formfunktionalis, dreht unweigerlich sofort den Spiess um, wenn man sich wehrt dagegen, und nennt Dich Metzeies. So arbeitet die opinio nun mal. Also dage-gen heisst die Notwendigkeit vorbeugen! Erinnerst Du Dich, wie Du mir früher oft sagtest: „Mensch, keine Polemik!" Gebe nur ergebenst zu überlegen. Ganz auf der Höhe der schlechthin unübertrefflichen Kritik der Dada-Messe ist der Gipsabguss noch nicht, wenn auch nicht schlecht. - Uebrigens, rein sachlich: ich habe, weder nach Deinen früheren Schreiben, noch nach dieser Skizze, genau verstanden, was der Satz besagen soll: „Der richtige Bourgeois Metzeies ist also der Dadaismus."
Die Sache Zierath dürfte jetzt laufen. Nochmals Dank für Deine Mühe. Zierath schrieb mir selbst noch eine Karte wegen der Bahns[t]ation. Ich gab sie an Hans weiter und ersuchte ihn, sofort Z. zu benachrichtigen. Nach Ankunft bei Hans werde ich nachsehen lassen, was in dem Korb ist. Es soll ein Korb sein.
Heute beginnt in Hamburg ein auf drei Tage berechneter Farb-Ton-Licht-Musik-Kongress. Heute abend 8 führt Lazio seine Farbmusik in der Universität vor. Ich steige nachher hin; hoffe Einlass zu finden; Berichterstatter bin ich nicht. H.C. schickt seinen Musikreferenten hin. Dagegen weihte ich heute mit den diversen Präsidenten das neue Gesundheitsamt ein, bei kaltem Aufschnitt etc. mit dem Direktor eines der hiesigen grossen Staatskrankenhäuser als Tischnachbar. Allerbestens, und reinstens konventionell gesellschaftlich, Herr Doktor-.
Die Voss kaufte ich wegen den Kleinbürgern. (Wissen wir längst, aber der Schluß frappierte mich doch) Selbstverständlich prinzipiell mit dem Abdruck der Maistadt einverstanden.
Die „Bauwelt" Nr. 8/1927 (24.2.27) bringt einen großen reich illustrierten „Artikel" von mir „Hamburger Bauten der Architekten H. Distel und A. Grubitz".«
Transcription
»Hamburgs, Danzigerstr. 35; 2.3.27
L! Irgendso ähnlich werde ich es machen; Müller-Rastatt lachte nur, als ich ihm vorgestern den schönen B.T.-Brief zeigte. „Das hat mir das BT. abgelehnt!" „Soll ich gleich lesen?" „Nee; im Lauf der Woche sprechen wir noch darüber." Ich liess ihm das B.T.-Manuskript. Ob ich es drucken lasse im H.C. weiss ich noch nicht. Ich brauche nur ja zu sagen, und es erscheint, um ebensoschnell zu verpuffen.
Die Sache mit der Personalistik ist gut, sobald es gelingt, Ersatz für den fehlenden aktuellen Anlass zu finden. Aktuelle Anlässe, auf die pressemässig sofort funktionell zu reagieren ist, sind: Offizielle Einladungen an die Presse zu Besichtigungen, zu „Vorträgen", und gedruckte Bücher. Alles andere fällt unter den Tisch, wenn es nicht Politik, Verbrechen oder sonstige Volksbelustigung ist.
Du tust mir unrecht, wenn Du meinst, ich hätte weniger gelernt, „Beweis des Werts" nicht nur in Theorie sondern auch in Praxi ff. (heisst: „formfunktionell") zu durchschauen. Kenne wohl einen meiner Grundfehler, herrührend aus dem Zuhausesein in sehr wenig bewohnten Interesseräumen. Was Dich die Berliner, lehrte mich die Hamburger Gesellschaft. U.s.w. Buber sagte schon vor zwanzig Jahren zu mir5: „man hängt keine Firma heraus". D.h.: man tritt in den Interessalraum des Andern ein, und der Andere schwingt sofort aus Eigenem mit, oder man befindet sich in getrennten Interessalräumen, dann lacht der Besuchte, wenn ich von meinen, ihm ungreifbaren Goldschätzen in der andern Stube erzähle. „Bitte, bring sie mir!" Das geht nicht. „Dann nimm mich mit in die andre Stube!" Geht ebenfalls nicht. --- Der Mann ist betrunken! - - Eine der besten Sachen der gesamten Gegenwart. (BT. vom 1.3.27, M.) - Ab! Erledigt! Alles, was aus der eigenen, momentan tapezierten I-Stube (I=lnteressen)-Stube fällt. Einen Grad weiter (hinter der hohlen Hand:) „Der Kerl ist ja doch" (Drehbewegung mit dem Zeigefinger vor der Stirnmitte.)
Hülsenbeck ist wirklich schön gezeichnet; er hat tatsächlich meistens gerichardmetzelest; aber die Polarisatio formfunktionalis, dreht unweigerlich sofort den Spiess um, wenn man sich wehrt dagegen, und nennt Dich Metzeies. So arbeitet die opinio nun mal. Also dage-gen heisst die Notwendigkeit vorbeugen! Erinnerst Du Dich, wie Du mir früher oft sagtest: „Mensch, keine Polemik!" Gebe nur ergebenst zu überlegen. Ganz auf der Höhe der schlechthin unübertrefflichen Kritik der Dada-Messe ist der Gipsabguss noch nicht, wenn auch nicht schlecht. - Uebrigens, rein sachlich: ich habe, weder nach Deinen früheren Schreiben, noch nach dieser Skizze, genau verstanden, was der Satz besagen soll: „Der richtige Bourgeois Metzeies ist also der Dadaismus."
Die Sache Zierath dürfte jetzt laufen. Nochmals Dank für Deine Mühe. Zierath schrieb mir selbst noch eine Karte wegen der Bahns[t]ation. Ich gab sie an Hans weiter und ersuchte ihn, sofort Z. zu benachrichtigen. Nach Ankunft bei Hans werde ich nachsehen lassen, was in dem Korb ist. Es soll ein Korb sein.
Heute beginnt in Hamburg ein auf drei Tage berechneter Farb-Ton-Licht-Musik-Kongress. Heute abend 8 führt Lazio seine Farbmusik in der Universität vor. Ich steige nachher hin; hoffe Einlass zu finden; Berichterstatter bin ich nicht. H.C. schickt seinen Musikreferenten hin. Dagegen weihte ich heute mit den diversen Präsidenten das neue Gesundheitsamt ein, bei kaltem Aufschnitt etc. mit dem Direktor eines der hiesigen grossen Staatskrankenhäuser als Tischnachbar. Allerbestens, und reinstens konventionell gesellschaftlich, Herr Doktor-.
Die Voss kaufte ich wegen den Kleinbürgern. (Wissen wir längst, aber der Schluß frappierte mich doch) Selbstverständlich prinzipiell mit dem Abdruck der Maistadt einverstanden.
Die „Bauwelt" Nr. 8/1927 (24.2.27) bringt einen großen reich illustrierten „Artikel" von mir „Hamburger Bauten der Architekten H. Distel und A. Grubitz".«
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