Brief von Heinz Fuchs an Hannah Höch. Berlin
Heinz Fuchs




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Merkliste
Werkdaten
Inventarnummer
BG-HHC K 885/79
Person / Körperschaft
Titel
Brief von Heinz Fuchs an Hannah Höch. Berlin
Datierung
Anfang Mai 1928
Gattung
Untergattung
Material / Technik
Papier, handgeschrieben, gezeichnet
Umfang
1 Blatt
Creditline
Erworben aus Mitteln des Senators für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin, Anfang Mai 1928
Eigentümer*in
Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin, DE
Erwerbsjahr
1979
Erwerbsart
Sammlung
Urheber*innenrecht
Unterliegt nicht dem Urheberrechtsschutz
Eigentümer*in
Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin, DE
Erwerbsjahr
1979
Erwerbsart
Kauf
Sammlung
Künstler*innen-Archive
Urheber*innenrecht
Unterliegt nicht dem Urheberrechtsschutz
Texte
Transkription
"Berlin Lichterfelde Moltke Str. 24
Anfang Mai 28
Liebes Hannchen Höch, sind Sie sehr erstaunt, von mir ein Lebenszeichen zu bekommen? Hätte ich Ihnen sooft geschrieben, wie ich an Sie dachte oder mal von Ihnen sprach, dann hätten Sie häufiger Nachricht erhalten. Aber, sagen Sie, was soll ich Ihnen schreiben? Von all dem Unsinn, den man hier Kunstpolitik oder wie man es nennen soll, macht, das lohnt nicht. Menschen von Format sind selten. Über den eigenen Vorteil hinaus zu denken, ist nicht Sache der unternehmungslustigen Leute in B. Was wollen Sie, man kann es ihnen ja auch nicht übel nehmen, denn jeder hält seinen Dreck für besseren Dreck als den des anderen. Das gute Verhältnis, das einen mit ein paar Ausseitern verbindet, ist ja schon schön genug, um nicht ganz zum Einsiedler oder, wenn das mehr Ihr Geschmack ist, zum Verächter seines «Kollegen» sprich Neidhammel zu werden. Schöne Stimmung habe ich, so ganz besonders zum Schreiben geeignet; hoppla, Mädchen, wenn Du wüsstest, wie sehr ich mich noch zusammennehme! -
Aber einige von Ihren Kakteen sind hübsch gewachsen, sie machen mir Freude. Peter Foerster hat jetzt ein Atelier in Friedenau, Mies ist aus dem «Ring» ausgetreten [1]. In der Nov. Gr. soll es dieses Jahr eine Kollektivausstellung von unserem guten Segall geben (die wievielte? ob das hilft, wenn eine Frau einen berühmten Mann haben will? oder ob die gute Erna nur ans Geld dabei denkt? - bitte ich will hier keineswegs eine niederträchtige Bemerkung gemacht haben -) dito sollen viele Bilder von Otto Moeller [2] gezeigt werden, auch das wird lehrreich sein, für solche, die Sinn für Humor haben, aber Sie wissen doch, es gibt unfreiwilligen Humor, ja, ja alles mausert sich, selbst der Spatz, nur die armen Maler haben kein Geld & könnten es doch so gut gebrauchen, wie all die anderen, die auch keins haben. Finden Sie wirklich, daß es Spass macht, von mir einen Brief zu bekommen? Versuchen Sie den «Ulisses» von J. Joyce zu lesen. Es gibt eben doch noch Menschen, die schreiben können. Es gibt auch mitunter eine schöne Plastik, ein gutes Bild; aber sehen Sie, jetzt blühen hier alle Bäume. Über ihnen strahlt ein blauer Himmel, Hummeln summen um einen herum und die Tage werden länger. Draussen liegt es sich schön am Wasser & Mondschein ist silbern & zittert über die Flut. Hannchen, was machte man wohl, wenn man die Schönheit all dieser Dinge nicht hätte? Ja, ja im Mai muss man gefühlvoll sein, oder gefühltoll! Aber bitte sagen Sie es keinem weiter, dass ich romantisch bin, welche Schwäche, im Zeitalter der Amerikaflüge! Na, meinetwegen, ich finde so ein wenig Gefühl ist auch eine Sache; aber hübsch schweigen drüber. Nun, da dieser Brief ans Ende geht, hoffe ich, dass es Ihnen gut geht & ich würde mich freuen zu hören, was Sie, was die Kakteen, was die Katze macht. Seien Sie herzl. von mir gegrüsst
Ihr Heinz Fuchs [Federskizzen]
Prof. Max Fleischer schrieb mir aus Paris, dass er ab Mai wieder in Holland lebe seine Adresse: den Haag, Columbusstr. 201, besuchen Sie ihn doch mal, grüssen Sie von mir.
Auf Wiedersehen!"
[1] Die Architektenvereinigung Der Ring, ursprüngl. Zehnerring, entstand 1923/24 als loser Zusammenschluß der zehn bedeutendsten Berliner Repräsentanten des Neuen Bauens mit dem Ziel der Verbreitung der neuen Bauauffassungen und der Förderung der Tätigkeit fortschrittlicher Architekten in der Baupraxis.
[2] Otto Moeller (1983-1964), Maler und Graphiker.
Transkription
"Berlin Lichterfelde Moltke Str. 24
Anfang Mai 28
Liebes Hannchen Höch, sind Sie sehr erstaunt, von mir ein Lebenszeichen zu bekommen? Hätte ich Ihnen sooft geschrieben, wie ich an Sie dachte oder mal von Ihnen sprach, dann hätten Sie häufiger Nachricht erhalten. Aber, sagen Sie, was soll ich Ihnen schreiben? Von all dem Unsinn, den man hier Kunstpolitik oder wie man es nennen soll, macht, das lohnt nicht. Menschen von Format sind selten. Über den eigenen Vorteil hinaus zu denken, ist nicht Sache der unternehmungslustigen Leute in B. Was wollen Sie, man kann es ihnen ja auch nicht übel nehmen, denn jeder hält seinen Dreck für besseren Dreck als den des anderen. Das gute Verhältnis, das einen mit ein paar Ausseitern verbindet, ist ja schon schön genug, um nicht ganz zum Einsiedler oder, wenn das mehr Ihr Geschmack ist, zum Verächter seines «Kollegen» sprich Neidhammel zu werden. Schöne Stimmung habe ich, so ganz besonders zum Schreiben geeignet; hoppla, Mädchen, wenn Du wüsstest, wie sehr ich mich noch zusammennehme! -
Aber einige von Ihren Kakteen sind hübsch gewachsen, sie machen mir Freude. Peter Foerster hat jetzt ein Atelier in Friedenau, Mies ist aus dem «Ring» ausgetreten [1]. In der Nov. Gr. soll es dieses Jahr eine Kollektivausstellung von unserem guten Segall geben (die wievielte? ob das hilft, wenn eine Frau einen berühmten Mann haben will? oder ob die gute Erna nur ans Geld dabei denkt? - bitte ich will hier keineswegs eine niederträchtige Bemerkung gemacht haben -) dito sollen viele Bilder von Otto Moeller [2] gezeigt werden, auch das wird lehrreich sein, für solche, die Sinn für Humor haben, aber Sie wissen doch, es gibt unfreiwilligen Humor, ja, ja alles mausert sich, selbst der Spatz, nur die armen Maler haben kein Geld & könnten es doch so gut gebrauchen, wie all die anderen, die auch keins haben. Finden Sie wirklich, daß es Spass macht, von mir einen Brief zu bekommen? Versuchen Sie den «Ulisses» von J. Joyce zu lesen. Es gibt eben doch noch Menschen, die schreiben können. Es gibt auch mitunter eine schöne Plastik, ein gutes Bild; aber sehen Sie, jetzt blühen hier alle Bäume. Über ihnen strahlt ein blauer Himmel, Hummeln summen um einen herum und die Tage werden länger. Draussen liegt es sich schön am Wasser & Mondschein ist silbern & zittert über die Flut. Hannchen, was machte man wohl, wenn man die Schönheit all dieser Dinge nicht hätte? Ja, ja im Mai muss man gefühlvoll sein, oder gefühltoll! Aber bitte sagen Sie es keinem weiter, dass ich romantisch bin, welche Schwäche, im Zeitalter der Amerikaflüge! Na, meinetwegen, ich finde so ein wenig Gefühl ist auch eine Sache; aber hübsch schweigen drüber. Nun, da dieser Brief ans Ende geht, hoffe ich, dass es Ihnen gut geht & ich würde mich freuen zu hören, was Sie, was die Kakteen, was die Katze macht. Seien Sie herzl. von mir gegrüsst
Ihr Heinz Fuchs [Federskizzen]
Prof. Max Fleischer schrieb mir aus Paris, dass er ab Mai wieder in Holland lebe seine Adresse: den Haag, Columbusstr. 201, besuchen Sie ihn doch mal, grüssen Sie von mir.
Auf Wiedersehen!"
[1] Die Architektenvereinigung Der Ring, ursprüngl. Zehnerring, entstand 1923/24 als loser Zusammenschluß der zehn bedeutendsten Berliner Repräsentanten des Neuen Bauens mit dem Ziel der Verbreitung der neuen Bauauffassungen und der Förderung der Tätigkeit fortschrittlicher Architekten in der Baupraxis.
[2] Otto Moeller (1983-1964), Maler und Graphiker.
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