Verlag Hermann Reckendorf
Werner J. Schweiger






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Werkdaten
Inventarnummer
BG-WJS-M-1,56
Person / Körperschaft
Titel
Verlag Hermann Reckendorf
[Eintrag für geplante Publikation "Lexikon des Kunsthandels der Moderne im deutschsprachigen Raum 1905-1937"]
Datierung
2005 - 2011
Gattung
Material / Technik
digital
Creditline
Zustiftung Christa M. Schweiger, Wien; und Wolfgang Wittrock, Berlin, 2005 - 2011
Konvolut
Kunstarchiv Werner J. Schweiger
Eigentümer*in
Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin, DE
Erwerbsjahr
2016
Erwerbsart
Sammlung
Urheber*innenrecht
Berlinische Galerie / Wolfgang Wittrock
Eigentümer*in
Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin, DE
Erwerbsjahr
2016
Erwerbsart
Zustiftung
Sammlung
Künstler*innen-Archive
Urheber*innenrecht
Berlinische Galerie / Wolfgang Wittrock
Texte
Transkription
RECKENDORF
WERBEDIENST G. M. B. H. (HERMANN RECKENDORF)
HERMANN RECKENDORF VERLAG
VERLAG HERMANN RECKENDORF G. M. B. H.
RECKENDORFHAUS
Adresse: BERLIN, Preussen/Provinz Brandenburg (Berlin), Lützow Strasse 102-104 (1918-1929); Hedemannstrasse 24 (1929-1933); Niederlassung in München, Kaufingerstrasse 23 (1923)
Inhaber: Hermann Reckendorf; ab etwa 1927 eine G. m. b. H.
Mitarbeiter: Hermann Reckendorf (Geschäftsführer); Elisabeth Vogel (nach 1930 Frank-Vogel), Ludwig Werner (Gesamtprokura); Paul Westheim (Redaktion „Das Kunstblatt“ und Organisation der Ausstellungen)
Bestand: 1918-1933
Charakteristik: Buchhandlung, Buchdruckerei, Annoncenexpedition, Graphische Anstalt, Kunstverlag, Lithographische Anstalt, Ausstellungen
Ausstellungen:
1929: 50 ausgewählte Werke heutiger Kunst (dabei u. a. Herbert Bayer, Rudolf Belling, Lovis Corinth, Otto Dix, Max Ernst, Lyonel Feininger, George Grosz, Erich Heckel, Karl Hofer, Paul Klee, Gerhard Marcks, Ewald Mataré, Joachim Ringelnatz, Oskar Schlemmer, Evamarie Schlenzig, Rudolf Schlichter, Karl Schmidt-Rottluff, Maurice Utrillo, Louis Vivin, Gustav Heinrich Wolff, Gert Wollheim); Kunstblatt-Ausstellung „Junge Künstler“
1930: Kunstblatt-Ausstellung „Gezeichnet oder geknipst“ (dabei u. a. die Künstler Rudolf Belling, Lovis Corinth, Otto Dix, Rudolf Großmann, George Grosz, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka, Käthe Kollwitz, Bernhard Kretzschmar, Max Liebermann, Henri Matisse, Ludwig Meidner, Edvard Munch, Ernst Wilhelm Nay, Auguste Rodin, Ludwig Thoma und die Fotografen Hugo Erfurth, Ewald Hoinkis, Helmar Lerski, [Frieda Gertud] Riess, Sasha Stone, Umbo [Otto Umbehr], Yva [Elsa Neuländer-Simon]); „Carnegie-Ausstellung, Deutsche Sektion: Gemälde Modener Meister“ (dabei Franz Heckendorf, Karl Hofer, Willy Jaeckel, Max Kaus, Oskar Kokoschka, Max Liebermann, Otto Mueller, Heinrich Nauen, Emil Nolde); Kunstblatt-Ausstellung“ Künstler im Reich“ (dabei u. a. Adler, Jankel, Alfred Ahner, Herbert von Arend, Eugen Batz, Arnold Bode, Heinrich Dersch, Karl Döbel, Ludwig Eckl, Wilhelm Geyer, Werner Gilles, Ludwig Godenschweg, Charlotte Goltz, Otto Griebel, Richard Haizmann, Martha Hegemann, Wilhelm Heise, Eugen Hoffmann, Heinrich Hoerle, Edgar Jenné, Bernhard Kretzschmar , Fritz Kuhr, Wilhelm Lachnit, Karl Leyhausen, Gerhard Marcks, Fritz Müller, Rolf Nesch, Walter Ostermayer, Otto Pankok, Anton Räderscheidt, Karl Peter Röhl, H. Cl. Roeseler, Ludwig Rönig, Franz Wilhelm Seiwert, Hermann Sohn, Alexander von Szpinger, Oskar Schlemmer, Walter Schliephacke, Elfriede Schnell, Karl Völker, Josef Wedewer; Kunstblatt-Ausstellung „Kinder wollen spielen“ (neben Marionetten von Paul Klee und Holzarbeiten von Lyonel Feininger Schülerarbeiten der “Akademie-Schule“ in Halle, der „Kunstgewerbe-Akademie“ in Dresden und des „Bauhaus“, sowie technisches Spielzeug); Kunstblatt-Ausstellung „Junge Künstler“
Verlag:
Der Verlag findet hier keine umfassende Darstellung. Reckendorfs Mitgliedschaft und Einsatz für den Deutschen Werkbund spiegelte sich auch im umfangreichen Verlagsprogramm: 1920 erschien der letzte Band der Werkbundjahrbücher und in der Folge zahlreiche Titel zur Werkbundarbeit wie die Werkbundzeitschrift „Die Form“ von 1925-1933 und der damit verbundenen Buchreihe „Die Bücher der Form“, Bände 3-7, 1926-1928 (Roland Jaeger 2007)). Daneben Bücher von Fritz Helmut Ehmcke (Wahrzeichen, Warenzeichen, 1921; Persönliches und Sachliches, 1928) und Paul Renner (Mechanisierte Grafik, 1931).
Darüber hinaus verlegte Reckendorf wegweisende Werke zum Thema Film (Hans Richter: Filmgegner von heute - Filmfreunde von Morgen, 1929) und Fotografie (Werner Gräff: Es kommt der neue Fotograf!, 1929; Albert Renger-Patzsch: Eisen und Stahl, 1931; Helmar Lerski: Köpfe des Alltags, 1931). 1930 erschienen Wilhelm Bodes Erinnerungen „Mein Leben“ und 1931 Paul Westheims „Helden und Abenteurer. Welt und Leben der Künstler“.
Die seit 1917 erscheinende Kunstzeitschrift „Das Kunstblatt“ wurde mit Heft 12, 1928 von Reckendorf übernommen und bis kurz vor der Einstellung 1932 gedruckt.
Bemerkung:
Der aus Mannheim stammende Hermann Reckendorf (1880-1936) war gelernter Buchdrucker und wechselte später ins Reklamefach, in welcher Tätigkeit er im Ullstein Verlag, bei der National-Zeitung und dem Franck-Konzern wirkte. (Reichshandbuch 1931, S. 1486). 1916 wurde er Leiter der Kriegsanleihepropaganda, worüber er auch mehrfach publizierte. (z. B.: Kunst und Künstler im Dienste der 6. Kriegsanleihe.- in: Das Plakat. H. 4, 1917).
Am 19. September 1918 machte sich Reckendorf selbständig und gründete die Firma „Werbedienst G. m. b. H. Hermann Reckendorf“, die später in „Hermann Reckendorf Verlag“ umbenannt wurde. 1927 Umgründung in „Verlag Hermann Reckendorf G. m. b. H.“. Der Sitz der Firma war von 1918-1929 in der Lützow Strasse 102-104, um 1923 gab es auch eine Niederlassung in München, Kaufingerstrasse 23. 1928 gab es eine beeindruckende Selbstdarstellung des Verlages in einem von Richard Riemerschmidt erbauten eigenen Pavillon bei der Ausstellung „Pressa“ 1928 in Köln (Die Form. H. 5 v. Mai 1928, Beilage S. [3]).
1929 übersiedelte Reckendorf in ein eigenes, vierstöckiges Verlagsgebäude („Reckendorfhaus“) in der Hedemannstrasse 24. (Umzugsanzeige von [Fritz] Adolphy in: Das Kunstblatt. H. 7 v. Juli 1929, Umschlagseite 4).
Die seit 1917 von Paul Westheim herausgegebene Kunstzeitschrift „Kunst und Künstler“ wurde mit Heft 12, 1928 von Reckendorf übernommen und bis kurz vor der Einstellung 1932 gedruckt. Mit der Übernahme bekam die Redaktion, und damit Westheim, erstmals ein eigenes Redaktionsbüro mit Sekretariat (Lutz Windhöfel 1995, S. 62).
Im November 1929 fand die erste Ausstellung in den von Ludwig Hilberseimer eingerichteten Ausstellungsräumen (Abb. in: Die Form. H. 2 v. 15. 1.1930, S. 49) statt: Bilder und Plastiken aus Berliner Privat- und Galeriebesitz, „fünfzig höchst sorgsam ausgewählte Werke zwischen Corinth und Max Ernst [… werden] so vorgeführt, daß jedes einzelne zwingend zur Geltung gelangt und gültig seinen Schöpfer bezeugt, alle zusammen aber von Utrillo bis zu Vivin und von Heckel bis Ringelnatz einen vielfachen und klaren Begriff vom Rang der Gegenwartsleistung vermitteln“ (Willi Wolfradt: Berliner Ausstellungen.- in: Der Cicerone. H. 23 v. Dezember 1929, S. 677).
Im Anschluss daran fanden bis Ende 1930 die Kunstblatt-Ausstellungen statt (Lutz Windhöfel 1995, S. 300-311). Die von Paul Westheim initiierten und organisierten acht Kunstblatt-Ausstellungen fanden zwischen 1927 und 1930 statt. Sechs davon waren ausschliesslich jungen deutschen Künstlern gewidmet. Die ersten zwei Kunstblatt-Ausstellungen fanden bei der Deutschen Kunstgemeinschaft im Berliner Schloss statt, die dritte Ausstellung in der
MODERNE GALERIE im Kaufhaus Wertheim. Mit der Übernahme der von Westheim herausgegebenen Zeitschrift „Das Kunstblatt“ durch den Verlag Hermann Reckendorf (mit Heft 12, 1928) und nach der Eröffnung des „Reckendorf-Hauses“ wurde die „Kunstblatt-Ausstellung“ in den von Ludwig Hilberseimer eingerichteten Ausstellungsräumen in der Hedemannstrasse 2 abgehalten.
Die erste „Kunstblatt-Ausstellung junger Künstler. Über 100 Gemälde und Plastiken“ (Anzeige in: Die Form. H. 24 v. 15. 12. 1929, Umschlagseite 4) im Reckendorfhaus fand vom 1.-21. Dezember 1929 statt. Vorausgegangen war ein Aufruf zu Beteiligung an die Künstler (Das Kunstblatt. H. 10, 1929, S. 315), verbunden mit der Mitteilung, dass der veranstaltende Verlag Reckendorf „eines der ausgestellten Werke ankaufen und als Geschenk für die Nationalgalerie stiften [wird]“ (Die Form. H. 20 v. 15. 10. 1929, Beilage S. [2]). „Dieses löbliche Unternehmen, in dem Paul Westheim, als Entdecker junger Talente, erfolgreich mit [Hermann] Sandkuhl, dem Herrn aller Juryfreien wetteifert, hat nun in den Ausstellungsräumen des Reckendorfhauses eine dauernde Heimstätte gefunden […] Hundert Kunstwerke und fast ebenso viel Namen werden im Reckendorfhaus gezeigt.“ (Curt Glaser: Kunstblatt-Ausstellung junger Künstler.- in: Berliner Börsen Courier. 4. 12. 1929)
Aus dieser ersten Ausstellung im Reckendorfhaus wurde das Bild „Hinterhäuser im Schnee“ von Josef Wedewer vom Verlag für die Nationalgalerie erworben.
Diese Ausstellung wanderte (wie auch die späteren) anschliessend durch Deutschland mit Stationen in Hamburg, Chemnitz, Duisburg, Mannheim und Essen, München und Heidelberg.
1930 stand die „Kunstblatt-Ausstellung“ unter dem Motto „Gezeichnet oder geknipst“ und stellte gezeichnete und photographische Portraits derselben Person gegenüber. „Porträt-Zeichnungen, -Graphik, -Plastik und -Fotos“ (Anzeige in: Das Kunstblatt. H. 2 v. Februar 1930, Umschlagseite 3; Die Form. H. 3 v. 1. 2. 1930, Titelblatt).
Juni-Juli 1930 wurden die für die jährlich in den USA stattfindende Internationale Carnegie-Ausstellung ausgewählten deutschen Beiträge im Reckendorf-Haus präsentiert, organisiert von der in Berlin lebenden Charlotte Weidler (sie war u. a. die Repräsentantin des Carnegie-Instituts). Die für die Wanderausstellung 1930 ausgewählten Künstler waren Franz Heckendorf, Karl Hofer, Willy Jaeckel, Max Kaus, Oskar Kokoschka, Max Liebermann, Otto Mueller, Heinrich Nauen und Emil Nolde.
Mit der „Kunstblatt-Ausstellung“ Künstler im Reich (August bis September 1930) mit Werken von Künstlern aus Breslau, Celle, Dessau, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Halle, Hamburg, Kassel, Köln, Königsberg, München, Münster, Saarbrücken, Stuttgart, Ulm und Weimar (Anzeige in: Das Kunstblatt. H. 9 v. September 1930, Umschlagseite 4) wollte Paul Westheim zeigen, wie sich die zeitgenössische Kunst ausserhalb der Kunstmetropole Berlin präsentierte.
Nach der Ausstellung „Kinder wollen spielen“ (mit Marionetten von Paul Klee, Holzarbeiten von Lyonel Feininger, Schülerarbeiten der „Akademie-Schule“ in Halle, der „Kunstgewerbe-Akademie“ in Dresden und des „Bauhaus“, sowie technisches Spielzeug) fand vom November bis Dezember 1930 die letzte „Kunstblatt-Ausstellung Junge Künstler“ statt und aus dieser wurde - gestiftet von Hermann Reckendorf - wieder ein Werk eines jungen Künstlers als Geschenk an die Berliner Nationalgalerie angekauft. Ausgewählt wurde die Bronzestatue „Stehendes Mädchen“ von Otto Baum (Die Form. H. 23/24 v. 15. 12. 1930, S. 616), die wenig später durch die Aktion „Entartete Kunst“ wieder aus dem Museum entfernt wurde (Kunst in Deutschland 1992, Nr. 15).
Damit endete, wohl aus finanziellen Gründen, die Ausstellungsserie im Reckendorfhaus und damit auch das kulturelle Engagement von Hermann Reckendorf.
1930 wurde Reckendorf „wegen seiner mannigfachen Verdienste um Kunst und Wissenschaft von der technischen Hochschule in Stuttgart zum Dr. Ing. e. h. ernannt“ (Das Kunstblatt. H. 6 v. Juni 1930, S. 165). Im selben Jahr erschien in 50 Exemplaren eine Festschrift zum 50. Geburtstag des Verlegers (Das Reckendorfbuch 1930), für die zahlreiche bildende Künstler aus dem Umfeld von Paul Westheim und seiner Zeitschrift „Das Kunstblatt“ Beiträge lieferten (dabei u. a. Max Dungert, George Grosz, Philipp Harth, Carl Hofer, Oskar Kokoschka, Gerhard Marcks, Ludwig Meidner, Evamarie Schlenzig, Rudolf Schlichter, Josef Wedewer, Gustav Wunderwald).
Im selben Jahr wurde Hermann Reckendorf von Ludwig Meidner in einer Lithographie portraitiert (Abb. in: Das Kunstblatt. H. 2 v. Februar 1930, Tafel vor S. 33).
Reckendorf dürfte sich sowohl mit dem Neubau des Verlagshauses als auch mit der expansiven Verlagspolitik finanziell übernommen zu haben. Ende 1930 wurden die Kunstblatt-Ausstellungen ohne Angabe von Gründen eingestellt. Ab Januar 1932 endet die eigenständige Erscheinungsform des „Kunstblatt“, das in der Folge in stark gekürztem Umfang nur noch als Beilage der Zeitschrift „Die Form“ erscheint.
Zunehmender antisemitischer Druck auf das jüdische Verlagshaus bewirkt auch, dass der „Deutsche Werkbund“ im April 1932 seine Büroräume im Reckendorf räumt, Ende desselben Jahres wechselt die Zeitschrift „Die Form“ und mit ihr die „Beilage“ Das Kunstblatt in einen neuen Verlag. {„Danach stellte es sich so dar, daß Reckendorf zwar ab Mitte 1933 aller Möglichkeiten einer weiteren Geschäftsentwicklung entzogen waren, seine Firma aber formell noch fortbestand.“ (Roland Jaeger 2007, S. 18). Die anschliesende Liquidation der Firma bis zur Löschung im Handelsregister dauerte bis 1938. Hermann Reckendorf starb am 23. Dezember 1936 unter unbekannten Umständen, was einen (bisher tradierten) Selbstmord nicht ausschliesst.}
Nachweise:
Adressbuch des Deutschen Buchhandels; Müller, Adressbuch des Deutschen Buchhandels und verwandter Berufszweige; Adressbuch für den Berliner Buchhandel
VDR. Handbuch der Reklame.- Berlin 1923
Das Reckendorfbuch. Beiträge zum 50. Geburtstag von Hermann Reckendorf.- Berlin 1930
Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild.- Berlin 1931
Europäische Moderne. Buch und Graphik aus Berliner Kunstverlagen 1890-1933.- Berlin 1989
Kunst in Deutschland 1905-1937. Die verlorene Sammlung der Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais. Dokumentation. Ausgewählt und zusammengestellt von Annegret Janda und Jörn Grabowski.- Berlin 1992
Lutz Windhöfel: Paul Westheim und das Kunstblatt. Eine Zeitschrift und ihr Herausgeber in der Weimarer Republik.- Köln 1995
{Roland Jaeger: Werbedienst für den Deutschen Werkbund: Der Verlag Hermann Reckendorf, Berlin.- in: Aus dem Antiquariat. Nr. 1, 2007, S. 3-22}
Transkription
RECKENDORF
WERBEDIENST G. M. B. H. (HERMANN RECKENDORF)
HERMANN RECKENDORF VERLAG
VERLAG HERMANN RECKENDORF G. M. B. H.
RECKENDORFHAUS
Adresse: BERLIN, Preussen/Provinz Brandenburg (Berlin), Lützow Strasse 102-104 (1918-1929); Hedemannstrasse 24 (1929-1933); Niederlassung in München, Kaufingerstrasse 23 (1923)
Inhaber: Hermann Reckendorf; ab etwa 1927 eine G. m. b. H.
Mitarbeiter: Hermann Reckendorf (Geschäftsführer); Elisabeth Vogel (nach 1930 Frank-Vogel), Ludwig Werner (Gesamtprokura); Paul Westheim (Redaktion „Das Kunstblatt“ und Organisation der Ausstellungen)
Bestand: 1918-1933
Charakteristik: Buchhandlung, Buchdruckerei, Annoncenexpedition, Graphische Anstalt, Kunstverlag, Lithographische Anstalt, Ausstellungen
Ausstellungen:
1929: 50 ausgewählte Werke heutiger Kunst (dabei u. a. Herbert Bayer, Rudolf Belling, Lovis Corinth, Otto Dix, Max Ernst, Lyonel Feininger, George Grosz, Erich Heckel, Karl Hofer, Paul Klee, Gerhard Marcks, Ewald Mataré, Joachim Ringelnatz, Oskar Schlemmer, Evamarie Schlenzig, Rudolf Schlichter, Karl Schmidt-Rottluff, Maurice Utrillo, Louis Vivin, Gustav Heinrich Wolff, Gert Wollheim); Kunstblatt-Ausstellung „Junge Künstler“
1930: Kunstblatt-Ausstellung „Gezeichnet oder geknipst“ (dabei u. a. die Künstler Rudolf Belling, Lovis Corinth, Otto Dix, Rudolf Großmann, George Grosz, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka, Käthe Kollwitz, Bernhard Kretzschmar, Max Liebermann, Henri Matisse, Ludwig Meidner, Edvard Munch, Ernst Wilhelm Nay, Auguste Rodin, Ludwig Thoma und die Fotografen Hugo Erfurth, Ewald Hoinkis, Helmar Lerski, [Frieda Gertud] Riess, Sasha Stone, Umbo [Otto Umbehr], Yva [Elsa Neuländer-Simon]); „Carnegie-Ausstellung, Deutsche Sektion: Gemälde Modener Meister“ (dabei Franz Heckendorf, Karl Hofer, Willy Jaeckel, Max Kaus, Oskar Kokoschka, Max Liebermann, Otto Mueller, Heinrich Nauen, Emil Nolde); Kunstblatt-Ausstellung“ Künstler im Reich“ (dabei u. a. Adler, Jankel, Alfred Ahner, Herbert von Arend, Eugen Batz, Arnold Bode, Heinrich Dersch, Karl Döbel, Ludwig Eckl, Wilhelm Geyer, Werner Gilles, Ludwig Godenschweg, Charlotte Goltz, Otto Griebel, Richard Haizmann, Martha Hegemann, Wilhelm Heise, Eugen Hoffmann, Heinrich Hoerle, Edgar Jenné, Bernhard Kretzschmar , Fritz Kuhr, Wilhelm Lachnit, Karl Leyhausen, Gerhard Marcks, Fritz Müller, Rolf Nesch, Walter Ostermayer, Otto Pankok, Anton Räderscheidt, Karl Peter Röhl, H. Cl. Roeseler, Ludwig Rönig, Franz Wilhelm Seiwert, Hermann Sohn, Alexander von Szpinger, Oskar Schlemmer, Walter Schliephacke, Elfriede Schnell, Karl Völker, Josef Wedewer; Kunstblatt-Ausstellung „Kinder wollen spielen“ (neben Marionetten von Paul Klee und Holzarbeiten von Lyonel Feininger Schülerarbeiten der “Akademie-Schule“ in Halle, der „Kunstgewerbe-Akademie“ in Dresden und des „Bauhaus“, sowie technisches Spielzeug); Kunstblatt-Ausstellung „Junge Künstler“
Verlag:
Der Verlag findet hier keine umfassende Darstellung. Reckendorfs Mitgliedschaft und Einsatz für den Deutschen Werkbund spiegelte sich auch im umfangreichen Verlagsprogramm: 1920 erschien der letzte Band der Werkbundjahrbücher und in der Folge zahlreiche Titel zur Werkbundarbeit wie die Werkbundzeitschrift „Die Form“ von 1925-1933 und der damit verbundenen Buchreihe „Die Bücher der Form“, Bände 3-7, 1926-1928 (Roland Jaeger 2007)). Daneben Bücher von Fritz Helmut Ehmcke (Wahrzeichen, Warenzeichen, 1921; Persönliches und Sachliches, 1928) und Paul Renner (Mechanisierte Grafik, 1931).
Darüber hinaus verlegte Reckendorf wegweisende Werke zum Thema Film (Hans Richter: Filmgegner von heute - Filmfreunde von Morgen, 1929) und Fotografie (Werner Gräff: Es kommt der neue Fotograf!, 1929; Albert Renger-Patzsch: Eisen und Stahl, 1931; Helmar Lerski: Köpfe des Alltags, 1931). 1930 erschienen Wilhelm Bodes Erinnerungen „Mein Leben“ und 1931 Paul Westheims „Helden und Abenteurer. Welt und Leben der Künstler“.
Die seit 1917 erscheinende Kunstzeitschrift „Das Kunstblatt“ wurde mit Heft 12, 1928 von Reckendorf übernommen und bis kurz vor der Einstellung 1932 gedruckt.
Bemerkung:
Der aus Mannheim stammende Hermann Reckendorf (1880-1936) war gelernter Buchdrucker und wechselte später ins Reklamefach, in welcher Tätigkeit er im Ullstein Verlag, bei der National-Zeitung und dem Franck-Konzern wirkte. (Reichshandbuch 1931, S. 1486). 1916 wurde er Leiter der Kriegsanleihepropaganda, worüber er auch mehrfach publizierte. (z. B.: Kunst und Künstler im Dienste der 6. Kriegsanleihe.- in: Das Plakat. H. 4, 1917).
Am 19. September 1918 machte sich Reckendorf selbständig und gründete die Firma „Werbedienst G. m. b. H. Hermann Reckendorf“, die später in „Hermann Reckendorf Verlag“ umbenannt wurde. 1927 Umgründung in „Verlag Hermann Reckendorf G. m. b. H.“. Der Sitz der Firma war von 1918-1929 in der Lützow Strasse 102-104, um 1923 gab es auch eine Niederlassung in München, Kaufingerstrasse 23. 1928 gab es eine beeindruckende Selbstdarstellung des Verlages in einem von Richard Riemerschmidt erbauten eigenen Pavillon bei der Ausstellung „Pressa“ 1928 in Köln (Die Form. H. 5 v. Mai 1928, Beilage S. [3]).
1929 übersiedelte Reckendorf in ein eigenes, vierstöckiges Verlagsgebäude („Reckendorfhaus“) in der Hedemannstrasse 24. (Umzugsanzeige von [Fritz] Adolphy in: Das Kunstblatt. H. 7 v. Juli 1929, Umschlagseite 4).
Die seit 1917 von Paul Westheim herausgegebene Kunstzeitschrift „Kunst und Künstler“ wurde mit Heft 12, 1928 von Reckendorf übernommen und bis kurz vor der Einstellung 1932 gedruckt. Mit der Übernahme bekam die Redaktion, und damit Westheim, erstmals ein eigenes Redaktionsbüro mit Sekretariat (Lutz Windhöfel 1995, S. 62).
Im November 1929 fand die erste Ausstellung in den von Ludwig Hilberseimer eingerichteten Ausstellungsräumen (Abb. in: Die Form. H. 2 v. 15. 1.1930, S. 49) statt: Bilder und Plastiken aus Berliner Privat- und Galeriebesitz, „fünfzig höchst sorgsam ausgewählte Werke zwischen Corinth und Max Ernst [… werden] so vorgeführt, daß jedes einzelne zwingend zur Geltung gelangt und gültig seinen Schöpfer bezeugt, alle zusammen aber von Utrillo bis zu Vivin und von Heckel bis Ringelnatz einen vielfachen und klaren Begriff vom Rang der Gegenwartsleistung vermitteln“ (Willi Wolfradt: Berliner Ausstellungen.- in: Der Cicerone. H. 23 v. Dezember 1929, S. 677).
Im Anschluss daran fanden bis Ende 1930 die Kunstblatt-Ausstellungen statt (Lutz Windhöfel 1995, S. 300-311). Die von Paul Westheim initiierten und organisierten acht Kunstblatt-Ausstellungen fanden zwischen 1927 und 1930 statt. Sechs davon waren ausschliesslich jungen deutschen Künstlern gewidmet. Die ersten zwei Kunstblatt-Ausstellungen fanden bei der Deutschen Kunstgemeinschaft im Berliner Schloss statt, die dritte Ausstellung in der
MODERNE GALERIE im Kaufhaus Wertheim. Mit der Übernahme der von Westheim herausgegebenen Zeitschrift „Das Kunstblatt“ durch den Verlag Hermann Reckendorf (mit Heft 12, 1928) und nach der Eröffnung des „Reckendorf-Hauses“ wurde die „Kunstblatt-Ausstellung“ in den von Ludwig Hilberseimer eingerichteten Ausstellungsräumen in der Hedemannstrasse 2 abgehalten.
Die erste „Kunstblatt-Ausstellung junger Künstler. Über 100 Gemälde und Plastiken“ (Anzeige in: Die Form. H. 24 v. 15. 12. 1929, Umschlagseite 4) im Reckendorfhaus fand vom 1.-21. Dezember 1929 statt. Vorausgegangen war ein Aufruf zu Beteiligung an die Künstler (Das Kunstblatt. H. 10, 1929, S. 315), verbunden mit der Mitteilung, dass der veranstaltende Verlag Reckendorf „eines der ausgestellten Werke ankaufen und als Geschenk für die Nationalgalerie stiften [wird]“ (Die Form. H. 20 v. 15. 10. 1929, Beilage S. [2]). „Dieses löbliche Unternehmen, in dem Paul Westheim, als Entdecker junger Talente, erfolgreich mit [Hermann] Sandkuhl, dem Herrn aller Juryfreien wetteifert, hat nun in den Ausstellungsräumen des Reckendorfhauses eine dauernde Heimstätte gefunden […] Hundert Kunstwerke und fast ebenso viel Namen werden im Reckendorfhaus gezeigt.“ (Curt Glaser: Kunstblatt-Ausstellung junger Künstler.- in: Berliner Börsen Courier. 4. 12. 1929)
Aus dieser ersten Ausstellung im Reckendorfhaus wurde das Bild „Hinterhäuser im Schnee“ von Josef Wedewer vom Verlag für die Nationalgalerie erworben.
Diese Ausstellung wanderte (wie auch die späteren) anschliessend durch Deutschland mit Stationen in Hamburg, Chemnitz, Duisburg, Mannheim und Essen, München und Heidelberg.
1930 stand die „Kunstblatt-Ausstellung“ unter dem Motto „Gezeichnet oder geknipst“ und stellte gezeichnete und photographische Portraits derselben Person gegenüber. „Porträt-Zeichnungen, -Graphik, -Plastik und -Fotos“ (Anzeige in: Das Kunstblatt. H. 2 v. Februar 1930, Umschlagseite 3; Die Form. H. 3 v. 1. 2. 1930, Titelblatt).
Juni-Juli 1930 wurden die für die jährlich in den USA stattfindende Internationale Carnegie-Ausstellung ausgewählten deutschen Beiträge im Reckendorf-Haus präsentiert, organisiert von der in Berlin lebenden Charlotte Weidler (sie war u. a. die Repräsentantin des Carnegie-Instituts). Die für die Wanderausstellung 1930 ausgewählten Künstler waren Franz Heckendorf, Karl Hofer, Willy Jaeckel, Max Kaus, Oskar Kokoschka, Max Liebermann, Otto Mueller, Heinrich Nauen und Emil Nolde.
Mit der „Kunstblatt-Ausstellung“ Künstler im Reich (August bis September 1930) mit Werken von Künstlern aus Breslau, Celle, Dessau, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Halle, Hamburg, Kassel, Köln, Königsberg, München, Münster, Saarbrücken, Stuttgart, Ulm und Weimar (Anzeige in: Das Kunstblatt. H. 9 v. September 1930, Umschlagseite 4) wollte Paul Westheim zeigen, wie sich die zeitgenössische Kunst ausserhalb der Kunstmetropole Berlin präsentierte.
Nach der Ausstellung „Kinder wollen spielen“ (mit Marionetten von Paul Klee, Holzarbeiten von Lyonel Feininger, Schülerarbeiten der „Akademie-Schule“ in Halle, der „Kunstgewerbe-Akademie“ in Dresden und des „Bauhaus“, sowie technisches Spielzeug) fand vom November bis Dezember 1930 die letzte „Kunstblatt-Ausstellung Junge Künstler“ statt und aus dieser wurde - gestiftet von Hermann Reckendorf - wieder ein Werk eines jungen Künstlers als Geschenk an die Berliner Nationalgalerie angekauft. Ausgewählt wurde die Bronzestatue „Stehendes Mädchen“ von Otto Baum (Die Form. H. 23/24 v. 15. 12. 1930, S. 616), die wenig später durch die Aktion „Entartete Kunst“ wieder aus dem Museum entfernt wurde (Kunst in Deutschland 1992, Nr. 15).
Damit endete, wohl aus finanziellen Gründen, die Ausstellungsserie im Reckendorfhaus und damit auch das kulturelle Engagement von Hermann Reckendorf.
1930 wurde Reckendorf „wegen seiner mannigfachen Verdienste um Kunst und Wissenschaft von der technischen Hochschule in Stuttgart zum Dr. Ing. e. h. ernannt“ (Das Kunstblatt. H. 6 v. Juni 1930, S. 165). Im selben Jahr erschien in 50 Exemplaren eine Festschrift zum 50. Geburtstag des Verlegers (Das Reckendorfbuch 1930), für die zahlreiche bildende Künstler aus dem Umfeld von Paul Westheim und seiner Zeitschrift „Das Kunstblatt“ Beiträge lieferten (dabei u. a. Max Dungert, George Grosz, Philipp Harth, Carl Hofer, Oskar Kokoschka, Gerhard Marcks, Ludwig Meidner, Evamarie Schlenzig, Rudolf Schlichter, Josef Wedewer, Gustav Wunderwald).
Im selben Jahr wurde Hermann Reckendorf von Ludwig Meidner in einer Lithographie portraitiert (Abb. in: Das Kunstblatt. H. 2 v. Februar 1930, Tafel vor S. 33).
Reckendorf dürfte sich sowohl mit dem Neubau des Verlagshauses als auch mit der expansiven Verlagspolitik finanziell übernommen zu haben. Ende 1930 wurden die Kunstblatt-Ausstellungen ohne Angabe von Gründen eingestellt. Ab Januar 1932 endet die eigenständige Erscheinungsform des „Kunstblatt“, das in der Folge in stark gekürztem Umfang nur noch als Beilage der Zeitschrift „Die Form“ erscheint.
Zunehmender antisemitischer Druck auf das jüdische Verlagshaus bewirkt auch, dass der „Deutsche Werkbund“ im April 1932 seine Büroräume im Reckendorf räumt, Ende desselben Jahres wechselt die Zeitschrift „Die Form“ und mit ihr die „Beilage“ Das Kunstblatt in einen neuen Verlag. {„Danach stellte es sich so dar, daß Reckendorf zwar ab Mitte 1933 aller Möglichkeiten einer weiteren Geschäftsentwicklung entzogen waren, seine Firma aber formell noch fortbestand.“ (Roland Jaeger 2007, S. 18). Die anschliesende Liquidation der Firma bis zur Löschung im Handelsregister dauerte bis 1938. Hermann Reckendorf starb am 23. Dezember 1936 unter unbekannten Umständen, was einen (bisher tradierten) Selbstmord nicht ausschliesst.}
Nachweise:
Adressbuch des Deutschen Buchhandels; Müller, Adressbuch des Deutschen Buchhandels und verwandter Berufszweige; Adressbuch für den Berliner Buchhandel
VDR. Handbuch der Reklame.- Berlin 1923
Das Reckendorfbuch. Beiträge zum 50. Geburtstag von Hermann Reckendorf.- Berlin 1930
Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild.- Berlin 1931
Europäische Moderne. Buch und Graphik aus Berliner Kunstverlagen 1890-1933.- Berlin 1989
Kunst in Deutschland 1905-1937. Die verlorene Sammlung der Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais. Dokumentation. Ausgewählt und zusammengestellt von Annegret Janda und Jörn Grabowski.- Berlin 1992
Lutz Windhöfel: Paul Westheim und das Kunstblatt. Eine Zeitschrift und ihr Herausgeber in der Weimarer Republik.- Köln 1995
{Roland Jaeger: Werbedienst für den Deutschen Werkbund: Der Verlag Hermann Reckendorf, Berlin.- in: Aus dem Antiquariat. Nr. 1, 2007, S. 3-22}
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